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Video der WocheMomentaufnahmen eines Krieges

Nach 50 Jahren Bürgerkrieg in Kolumbien will die große Mehrheit der Indígenas, dass Armee und Guerilla abziehen. Dafür gehen sie rabiat gegen die Soldaten vor.

Ein Soldat wird von Indígenas weggetragen. Bild: ap

BUENOS AIRES taz | Es ist die Momentaufnahme eines Krieges, der seit Jahrzehnten andauert. In der kolumbianischen Südwest-Provinz Cauca besetzten am vergangenen Dienstag über tausend Indígenas einen kleinen Militärposten. Tags zuvor hatten sie die beiden Kriegsparteien Armee und Guerilla bis Mitternacht ultimativ zum Abzug aus der Region aufgefordert. Nach Ablauf der Frist zogen die Indígenas zu dem Posten auf den Cerro Berlín in der Nähe der Ortes Toribío. Sie trugen das Hab und Gut der Soldaten weg, dann die Soldaten selbst und begannen schließlich mit dem Abbau der Einrichtung. Die Soldaten versuchten noch, sich mit dem Einsatz von Tränengas und Schüssen in die Luft gegen die Vertreibung zu wehren.

Der Konflikt war Mitte vergangener Woche eskaliert, nachdem ein Geschoss der Guerilla in ein Indianer-Hospital in dem Ort Toribío einschlug und zwei Krankenschwestern schwer verletzt wurden. Die Guerilla hatte den Militärposten in Toribío attackiert und dabei wie üblich ihre zielunsicheren Granaten verschossen. Wieder wurden zahlreiche Häuser beschädigt. Es war bereits der zwölfte Angriff auf den Ort seit Jahresbeginn, bei denen insgesamt sechs Menschen getötet wurden. Die Streitkräfte richten ihre Stützpunkte meist im Zentrum der Ortschaften ein, wo sie zum Ziel der Guerilla-Attacken werden. Nach Angaben des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sind wegen der Gefechte in den letzten Wochen über 2.500 Menschen aus ihren Dörfern geflüchtet.

Von den seit knapp drei Wochen andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen sind in der Provinz Cauca rund 115.000 Indígenas betroffen. Seit Jahren fordern sie den Abzug von Armee und Guerilla aus der Region. „Mit unserer 3.000 Mitglieder umfassenden Zivilwacht sind wir selbst in der Lage, die Kontrolle über die Region auszuüben, sagte der Vorsitzende des indigenen Dachverbands „Acín“, James Yatacué. Das bekam auch die Guerilla zu spüren. Vier geschnappte Guerilleros werden in Toribío vor ein indigenes Tribunal gestellt.

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Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón hat einen Abzug der Armee jedoch ausgeschlossen. Und nachdem Staatspräsident Juan Manuel Santos twitterte „Ich möchte nicht einen einzigen Indígena in einer Militärbasis sehen“, begann eine Spezialeinheit der Polizei mit der Freiräumung des Postens auf dem Cerro Berlín. Dabei wurden über 20 der indigenen Besetzer verletzt. Die Spannungen halten an. In den vergangenen Tagen wurden zwei Idígenas bei den Protesten gegen Armee und Guerilla getötet.

Die Gefechte sind Teil einer im Februar begonnenen Offensive der Streitkräfte gegen die Farc vor allem in der Provinz Cauca. Wer den Cauca kontrolliert, kontrolliert die Schmuggelwege zum Pazifik und damit auch den Narcotráfico, den Drogenhandel in der Region.

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8 Kommentare

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  • A
    Alex

    Udo Henn,

     

    logisch: wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Unterdrückungs-Strategie gehören, ist es das Naheliegendste, Menschenrechtsbeobachter nicht ins Land lassen zu wollen.

     

    Zur Erinnnerung: Der engste Zirkel um Uribe aus seiner Präsidenten-Zeit ist bereits entweder in Haft, sieht sich einem Prozess gegenüber oder hat sich ins Ausland abgesetzt... Ermittlungen gegen Uribe beim internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sind beantragt - Wegen 3.500 von Soldaten ermordeten Zivilisten ("falsos positivos").

     

    Da kann man eine Abneigung gegen Menschenrechtsbeobachter gut verstehen, oder...?

     

    Gruß

  • UH
    Udo Henn

    Lieber Conny, Ihre verdrehte Sichtweise zeigt mir, dass Uribe recht hatte, wenn er sog. "Menschenrechtsbeobachter" nicht ins Land lassen wollte.

  • C
    Conny

    Das Kolumbianische Militär ist kein lieber Aufpasser der Bevölkerung. Es ist einfach ein anderer bewaffneter Akteur, der in Koka-Handel verwickelt ist, der Bevölkerung unterdrückt, beschimpft und ausbeutet. Ich bin Menschenrechtsbeobachter in genau dieser Region. Einfache Bauern oder indiginas werden generell als guerrilla behandelt und das ist in vielen Fällen Ursache von Vertreibung. Im Allgemeinen ist das staatliche Militär eher da um multinationale Industrien zu beschützen, die Land und Menschen ausbeuten.

    Natürlich wird all dies in den Kolumbianischen Medien nicht gezeigt. Dort erscheint nur ein heulender Soldat, der von seiner Basis geschupst wurde. Und überall hört man nur von den "agressiven Indianern".

    Das verhalten der indigenen Bevölkerung ist für mich verständlich. Sie haben nichts mit FARC am Hut und wollen sie genauso los werden wie das Militär. FARC geht nur, wenn Militär abrückt. Das wird nicht nachgeben; es ist ein ewiger Zirkel der Gewalt, den hauptsächlich die zivile Bevölkerung trifft.

  • W
    WagnerLove

    Dass Indigenas "gutes Geld" mit Coca-Anbau impliziert gleich mehrere Falschaussagen. Erstens sind die Gewinnmargen beim Narcotrafico nämlich so verteilt, dass die Produzenten die sind, die das kleinste Stück vom Kuchen abbekommen. Erst über die Handelswege wird Kokain zu dem teuren Produkt, die Konsumenten wahrnehmen. Zweitens mag der Coca-Anbau vielleicht eine der wenigen Arbeitsquellen für Indigenas sein, die weitab von einer funktionierender Infrastruktur leben, aber die FARC sind clever genug, ihr eigenes Coca in aller Ruhe zu kultivieren, als sich mit den Produkten der Indigenas auseinandersetzen zu müssen, deren Dörfer, wie hier der Fall, von Militäreinheiten bevölkert werden.

     

    Und abgesehen davon: Die Regierungen Kolumbiens der vergangene Jahrzehnte haben es alle nicht hinbekommen, den Indigenas eine Alternative im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten zu bieten. Und dann soll man ihnen vorwerfen, es mit Coca-Anbau zu versuchen, der weit davon entfernt ist, sie reich zu machen?

     

    Und ein Bürgerkrieg ist nur dann ein Bürgerkrieg, wenn sich die Bevölkerung "aktiv" am bewaffneten Konflikt beteiligt? Ist das nicht eher die Definition von ausgearteter Anarchie als von Bürgerkrieg?

  • UH
    Udo Henn

    Von einem "Buergerkrieg" sollte man in Kolumbien nicht sprechen. Einige Buerger, wie hier die zwischen die Fronten geratenen Indigenas, sind zwar mitunter passiv von den Auseinandersetzungen betroffen, generell beteiligen sich die kolumbianischen Buerger aber nicht aktiv am Konflikt zwischen der Staatsgewalt und den Drogenterroristen.

     

    Zum geforderten Abzug der Soldaten: Das koennte den Indigenas so passen, ganz ungestoert ihr Coca zu kultivieren und fuer gutes Geld an die Farc zu liefern, die sich um Verarbeitung und Vertrieb kuemmern. Es waere ein schlechter Staat, der sich auf so etwas einliesse.

  • A
    Alex

    Hallo Taz,

     

    danke für den Artikel und dafür, dass ihr das Thema auf den Tisch bringt. Ich finde den Mut und die Handlungen der Indigenas im Nord-Cauca großartig.

     

    Lieder ist das Video sehr schlecht ausgesucht: Es handelt sich um übelste Propaganda des regierungstreuen Senders Caracol: Ein Soldat weint vor "Empörung", die Soldaten werden als die einzigen Opfer dargestellt, es fallen die Worte "Demütigung" und natürlich fehlt nicht die Stigmatisierung dass die Aktionen der Indigenen gleichzeitig mit Aktionen der FARC stattfanden.

     

    Der Sender hat sich diese eine Begebenheit rausgepickt - meines Wissens die einzige, bei der es zu Schlägen seitens der Indigenen kam. Es gab die letzten Tage jedoch auch Tote - tote Indigenas, von Soldaten bei ähnlichen Aktionen erschossen.

     

    Deswegen ist das für mich Propoaganda: Der Soldat weint, weil er mit Schlägen und Wegtragen gedemütigt wurde, aber es fragt keiner nach den erschossenen Indigenas, die es in dieser Region täglich gibt.

     

    Und an Jan Z.: Leider gibt es mindestens eine Regierung, die aus Deiner Aufzählung zu 2.& 3. rausfällt: die Kolumbianische. Und so wie sich die parlamentarische Demokratie in Kolumbien seit Jahren zeigt, finde ich sie nicht sehr demokratisch (nur ein Bsp: gegen 1/3 der Abgeordneten wird wegen Verbindungen zu Paramilitärs ermittelt, der soganannte "Parapolitica"-Skandal).

  • JZ
    jan z.

    Die Wirklichkeit ist diese: Alle Regierungen in Suedamerika - die Rechten, die Mitte-Linken, Linken sind sich in diesen Fragen 100% einig: 1. Keine nationale Regierung und unter keinen Umstaenden kann es erlauben dass diese oder jene Indigenenethnie dem nationalen Militaer die Kontrolle ueber ein Gebiet verweigert. 2. Alle Regierungen Suedamerikas - Rechte, Mitte-Links, Links sind sich 100% einig: Das FARC Guerrilla Problem soll geloest werden durch Verhandlung. 3. Alle Regierungen in Suedamerika, Rechte, Mitte-Links, Links sind der selben Meinung wie Hugo Chavez in Venezuela: DER GUERRILLERA KRIEG IST AUS DER MODE. Die parlamentarische Demokratie wird die Mode in Suedamerika.

  • K
    keinsoldatenfreund

    Auch wenn ich vom Vid. nicht verstehe. Für mich der beste Umgang mit Soldaten. Einfach Rausschmeißen! (wenns doch so einfach wäre)