Video der Woche: Verfassungsschutz, aber cooler
Aktenschreddern und Ahnungslosigkeit? Von wegen! Der Verfassungsschutz beschützt Embryos und erlebt aufregende Thrillerszenen – zumindest im Imagevideo.
Das Video setzt gleich zu Beginn auf Urinstinkte. Zuerst der Ton: Herzklopfen. Dann die Bilder: ein Embryo im Bauch der Mutter, ein süßes Baby. Schon die Kleinsten sehnen sich schließlich nicht nur nach Wärme, sondern auch nach Sicherheit. Deshalb, so beginnt die Botschaft, braucht es den Verfassungsschutz. Denn „manchmal ist es nur ein kleiner Schritt von Meinung zu Propaganda, von Kritik zu Hetze, von Demokratie zu Diktatur“.
In zwölf Minuten lernt man so einiges über den Verfassungsschutz. Wie er gegen „extremistische Kräfte" kämpft, wie er „qualifizierte nachrichtendienstliche Arbeit" verrichtet. Wie er digital kommuniziert. Wie er eine – gebrochen Deutsch sprechende – Zielperson beschattet. Und wie er „umfangreichen Kontrollen“ unterliegt.
Man lernt also viel darüber, was für ein Bild das Bundesamt für Verfassungsschutz von sich selbst hat. Ein Bild, das von der Außenwahrnehmung, nun ja, schon etwas abweicht. Eine Mischung aus Telekolleg, Sendung mit der Maus – und ein bisschen James Bond. Mit Splitscreens und spannungsgeladener Musik. Auch taz.de spielt eine Nebenrolle, wenn auch nur eine sehr kleine.
Wahrscheinlich hätte den Imagefilm („eine Eigenproduktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz“) kaum einer wahrgenommen, wenn ihn nicht das Blog netzpolitik.org entdeckt und auf Youtube gestellt hätte. Gut zwei Jahre ist der Film alt, zum ersten Mal wurde er 2010 auf dem „Familientag“ des Verfassungsschutzes gezeigt, auf deren Webseite wurde er dann im Juni 2012 gestellt. Kurz danach trat Behördenchef Heinz Fromm zurück – weil in seinem Amt wichtige Akten mit Bezug zum Terrortrio NSU geschreddert wurden.
Empfohlener externer Inhalt
Aktenvernichter kommen im Film aber nicht vor. Ebenso unerwähnt bleibt, dass die Behörde mit äußerst dubiosen V-Leuten zusammenarbeitet. Die Vorwürfe an den Verfassungsschutz gehen so weit, dass viele seine Abschaffung fordern. Am Samstag will dafür ein Bündnis linker Gruppen vor dem Sitz des Verfassungsschutzes in Köln-Chorweiler demonstrieren.
Der Imagefilm werde bald auf den neuesten Stand gebracht, sagte eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Also der Teil, in dem der Behördenpräsident zu sehen ist. Schließlich müsse in Zukunft der neue Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen gezeigt werden. Um per Video um „Ihr Vertrauen“ zu werben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern