VfL Wolfsburg gegen Borussia Dortmund: Bloß weg hier!
Nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund ist der deutsche Meister auf Sinn- und Formsuche. Trainer Armin Veh steht unter Druck.
WOLFSBURG taz | Das weihnachtliche Motto wird lauten: Nichts wie fort aus Wolfsburg. Diego Benaglio, den Torwart, zieht es zur Familie in der Schweiz. Christian Gentner, der Mittelfeldspieler, jettet mit Freunden nach New York, Jan Simunek, der Reservist, zur Familie nach Prag. Thomas Kahlenberg, der Neuzugang, will in der dänischen Heimat um den Weihnachtsbaum tanzen und Lieder singen, Josué, der Kapitän wird in Dubai der Kälte entfliehen, während Zvjezdan Misimovic, der Spielmacher, in seiner Wahlheimat München weilen wird.
Es ist bezeichnend, dass kaum einer der VfL-Profis die besinnlichste Zeit des Jahres in Wolfsburg verbringen wird. Doch bevor all diese Fluchten Wirklichkeit werden, ist noch ein Bundesligaspiel zu bestreiten, am Samstag bei Eintracht Frankfurt. Laut Tabelle eine Kräftemessen zweier grauen Mäuse kurz vorm Fest. "Wir müssen schauen", sagt Trainer Armin Veh, "dass wir uns da noch einmal zusammenreißen."
Kein Bundesligist bräuchte die kurze Winterpause dringender als der mit dem sonntäglichen 1:3 gegen Borussia Dortmund physisch und psychisch am Tiefpunkt angelangte deutsche Meister, der nach dem Aus im DFB-Pokal und in der Champions League nun auch das Abrutschen auf Platz neun in der Liga zu quittieren hat. Bei der anschließenden Weihnachtsparty der kickenden Belegschaft im Wolfsburger Kunstmuseum, bei der sich Aufsichtsratschef Garcia Sanz und Geschäftsführer Jürgen Marbach auf kurze Reden beschränkten, herrschte jedenfalls gedämpfte Stimmung. "Dass keiner Lust hatte, bis in die frühen Morgenstunden zu tanzen, war doch klar", berichtete am Tag danach der frühere Touristikmanager Marbach.
Stattdessen ist unter den Angestellten der Fußball GmbH an den festlich dekorierten Tischen viel über die unüberhörbaren "Armin raus"-Rufe und die gleichzeitig ertönenden Pfiffe debattiert worden. "Deshalb muss man das differenziert betrachten", beteuert Marbach. Will heißen: Der besonnenere Teil der Kundschaft in der Arena am Mittellandkanal weiß sehr wohl, dass es für Veh ein Ding der Unmöglichkeit ist, die chirurgische Präzision des Konterspiels gepaart mit strenger Körperlichkeit von Vorgänger Felix Magath zu konservieren.
Doch im östlichen Niedersachsen ist die Erwartungshaltung sprunghaft gestiegen: "Mittelklasse wird hier nicht mehr angenommen", so Marbach, in der Rückrunde müsse man "volle Attacke" angreifen, denn "mit dieser Hinrunde ist niemand zufrieden". Und daher ist der VW-nahe Aufsichtsrat auch nicht sonderlich mit Veh zufrieden.
Es verdichten sich die Anzeichen, dass der gebürtige Augsburger in Wolfsburg einfach nicht warm wird - und die Volkswagenstadt wohl auch nicht mit ihm. Auch die Mannschaft scheint gespalten. Josué, der brasilianische Balleroberer, der wie so viele in seinem persönlichen Leistungsspektrum nach Sicherheit und Stabilität fahndet, spricht bereits davon, "in Frankfurt auch für den Trainer zu spielen". Eine Behauptung, die unweigerlich die Frage aufwerfen könnte, ob das Team zuletzt gegen den Trainer gespielt habe. Blanker Unsinn, sagt Veh sinngemäß: "Dortmund war uns mental und physisch überlegen, wir waren immer einen Schritt zu spät." Da greift indes die Analyse des 48-Jährigen zu kurz: Wenn Stars wie Edin Dzeko gar nicht mehr erst den Schritt zum Ball machen, scheint Grundsätzliches beim VfL Wolfsburg im Argen zu sein.
Es ist ja seit Wochen offenkundig, dass Dzeko und Grafite nicht mehr miteinander spielen; auch weil der Torschützenkönig – abgesehen von seinem bedeutungslosen Anschlusstor – beinahe jeden Ball verstolpert. Den sensiblen Brasilianer hatte der Trainer unlängst in den Heimaturlaub geschickt. Das hat ebenso wenig geholfen wie taktische Umstellungen oder rigorose Personalrochaden. Was wäre zu tun? Eigentlich bräuchte Veh dringend einen Innenverteidiger internationaler Klasse. "Es ist ein Wahnsinn, wie viele Gegentore wir bekommen."
Auch Andrea Barzagli und Ricardo Costa, die italienisch-portugiesische Combo, agieren als zentrales Gespann mit zu vielen Risiken und Nebenwirkungen. Nur gibt der Markt - und der Autokonzern als Geldgeber – Verteidigungsalternativen her? "Personalplanung macht man nicht im Winter", sagt Veh, "aber es kann sein, dass sich was tut." Kurzfristig lautet das Motto für die finale, bitterkalte Arbeitswoche des Jahres nur: Augen zu und durch. Und dann über Frankfurt nichts wie fort aus Wolfsburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden