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Vetternwirtschaft in KölnKlüngel alaaf

Kommentar von Michael Aust

Pünktlich zum Karneval stellt ein neues Buch die These auf: Rheinischer Klüngel ist "demokratiefördernd" und Formen des Klüngels positiv und notwendig.

Was wäre Köln ohne Karneval und Klüngel? Bild: ap

D er Befreiungsschlag kam aus Tübingen. Hier, wo die Jecken Narren und der Karneval Fasching heißt, machte sich ein Politikprofessor Gedanken über einen urkölschen Begriff. Viel zu lange habe man in der öffentlichen Diskussion den Klüngel als Korruption abgetan, kritisierte der Tübinger Politologe Hans-Georg Wehling. Aber diese These werde durch ein neues Werk endlich beendet, freute sich Wehling.

Das Buch mit dem Titel "Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns" stellt eine Reihe von Thesen auf. Die steilste: "Klüngel ist demokratiefördernd", behauptet der Autor Frank Überall. "Soziologen haben Klüngel oft einfach mit Korruption gleichgesetzt", sagt Überall. "In dem Begriff steckt aber mehr - und Formen des Klüngels sind in der Politik positiv und notwendig."

Rückblende. Mitte der 90er ist es um den Begriff Klüngel - also das Politikmachen hinter verschlossenen Türen - nicht zum Besten bestellt. "Cliquen, Klüngel und Karrieren" heißt das 1992 erschienene Standardwerk zum Thema, in dem die Soziologen Klüngel mit Korruption übersetzen. Die Wirklichkeit gibt ihnen recht, als Mitte der 90er ranghohe Kölner Politiker hinter verschlossenen Türen über den Neubau einer Müllverbrennungsanlage verhandeln. Noch heute beschäftigt dieser Fall, der als Müllskandal in die Geschichte einging, die Gerichte. Später wird in der Stadt der Neubau von Messehallen durchgesetzt, wieder hinter verschlossenen Türen. Die Ermittlungen gegen den heutigen Oberbürgermeister Fritz Schramma, der damals einen obskuren Vertrag mit einer Immobienfonds unterschrieben hatte, verliefen ergebnislos.

Sprachlich stammt Klüngel vom althochdeutschen Wort "klungelin" für Knäuel ab, sinnbildlich vermischen sich in diesem Bild private und öffentliche Interessen.

Die Rehabilitation des sprichwörtlich "kölschen Klüngels" kommt deshalb einigermaßen überraschend. Für Frank Überall ist jedoch genau dieses Verbindende zwischen Öffentlichem und Privatem die positivste Eigenschaft des Klüngels: "Durch Klüngel haben mehr Menschen die Möglichkeit, an Politik teilzuhaben."

Die wenigsten kämen mit einem kommunalpolitischen Vorschlag direkt ins Rathaus - viel häufiger wende man sich an jemanden, der jemandem kennt, der im Stadtrat sitzt. "Man kennt das niedrigschwellige Angebot aus der Drogenhilfe: Jemand, der in eine offizielle Einrichtung niemals reingehen würde, ist durch Streetworker eher zu erreichen."

Dass das Klüngeln hinter verschlossenen Türen auch manchmal in Korruption münden kann, weiß auch der Politologe. Und auch, dass man in Köln nicht gern über den Klüngel spricht. Für sein Buch führte er Interviews mit zahlreichen Kölner Politikern. Einer der wenigen, die nur schriftlich antworten wollten, war Schramma.

Dabei wird dem Kölner Oberbürgermeister das Fazit des Buches wohl gefallen: Der Klüngel sei kein rein kölsches Phänomen. Ähnliche Verhaltensweisen gebe es fast überall.

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1 Kommentar

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  • A
    anke

    Es scheint, als hätten sich da im Kopf des Herrn Überall ein ganz persönliches Interesse (Dissertation) und ein eher vermuteter öffentlicher Bedarf (Politik-Weißwäsche) zu einem ziemlich wirren Knäuel verknotet. Klüngel eben.

     

    Das "niederschwellige Angebot", das er im Klüngel zu entdecken meint, kann ich jedenfalls nicht erkennen. Im Gegenteil: Verschlossene Türen und (im übertragenen wie eigentlichen Wortsinn) familiäre Bindungen schließen nämlich in der Regel nicht ein, sondern aus. Auf das schräge Bild vom Steetworker gemünzt könnte man sagen: Es gibt einen nicht zu leugnenden Unterschied zwischen einem Drogendealer und einem Sozialarbeiter. Erstgenannter bietet seine Dienste für alle sichtbar an, Letzterer seine eher heimlich und nur im Kreise Eingeweihter. Man braucht nicht lange zu überlegen, wieso das so ist.