Vetternwirtschaft in Frankreich: Macron-Vertrauter unter Verdacht

Der französische Parlamentspräsident Richard Ferrand ist ein enger Mitarbeiter von Macron. Nun wird wegen einer Immobilienaffäre gegen ihn ermittelt.

Richard Ferrand hält seine Hände zur Kamera hin

Wäscht seine Hände in Unschuld: Das Immobiliengeschäft sei rechtmäßig gewesen, sagt Ferrand Foto: afp

PARIS dpa/afp | Frankreichs Justiz hat gegen den Präsidenten der Nationalversammlung, Richard Ferrand, ein Ermittlungsverfahren. Das teilte die Staatsanwaltschaft von Lille mit. Ferrand wird verdächtigt, als früherer Chef von Krankenversicherungsvereinen seiner Lebensgefährtin und ihrer Gesellschaft ein Sanierungsprojekt zugeschanzt zu haben. Die Vorwürfe lauten auf Vetternwirtschaft und illegale Einflussnahme. Ferrand ist ein Weggefährte von Staatspräsident Emmanuel Macron und ein wichtiger Politiker der Regierungsmehrheit.

Die Enthüllungszeitung „Canard Enchaîné“ hatte bereits vor mehr als zwei Jahren berichtet, dass Ferrands Versicherung 2011 Räume von seiner Lebensgefährtin angemietet hatte. Der Politiker hat stets betont, rechtmäßig gehandelt zu haben. Ferrand erklärte nun, er wolle sein Amt als Präsident der Nationalversammlung – dies ist das Unterhaus des französischen Parlaments – weiterführen. Er bleibe gelassen, was den Ausgang des Verfahrens angeht.

Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye verwies am Donnerstag auf die Unschuldsvermutung. Es sei deshalb logisch, dass Präsident Macron weiterhin volles Vertrauen in Ferrand habe, sagte sie dem Radiosender Europe 1. Es gebe derzeit keinen Grund, sein Amt abzugeben, unterstrich Ndiaye im Sender BFMTV. Aus der Opposition wurden aber Rücktrittsforderungen laut.

Ferrand amtiert seit einem Jahr als Präsident der Nationalversammlung – das vierthöchste Amt im Staat. Zuvor war er Fraktionschef der Regierungspartei La République en Marche. Der frühere Sozialist hatte Macron auf seinem Weg an die Macht begleitet und dessen 2016 gegründete Partei mit aufgebaut. Er gilt als Macron-Vertrauter der ersten Stunde. Nach Macrons Wahlsieg im Mai 2017 saß Ferrand kurzzeitig als Wohnungsbauminister im Kabinett. Er musste dann aber schon nach wenigen Wochen gehen, nachdem er wegen der Vorwürfe um die Krankenversicherungsvereine ins Visier von Kritikern geraten war.

Es könnte zu einem Strafprozess kommen

Die Staatsanwaltschaft von Brest hatte in dieser Sache bereits 2017 Vorermittlungen aufgenommen, diese aber später eingestellt. Eine Anzeige einer Antikorruptionsorganisation führte dann jedoch dazu, dass Ermittler sich weiter damit beschäftigten.

Ferrand hatte nach Bekanntwerden des Immobiliengeschäfts erklärt, der Verwaltungsrat der Krankenversicherungsvereine der Bretagne habe damals drei Offerten zur Auswahl gehabt. Es sei „das beste Angebot“ ausgewählt worden – dies sei eine Räumlickeit gewesen, die seiner Frau gehört. Das sei „allen bekannt“ gewesen.

Die Einleitung eines Verfahrens bedeutet in Frankreich, dass die Ermittler „schwerwiegende oder übereinstimmende Indizien“ für ein Fehlverhalten sehen. Das Verfahren kann am Ende zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise sehen, andernfalls können sie das Verfahren auch wieder einstellen.

Zusammen mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte Ferrand im März eine deutsch-französische Parlamentsversammlung auf den Weg gebracht. Das Mini-Parlament mit je 50 Abgeordneten beider Länder tagt zweimal im Jahr.

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