Verzögerter Tunnelbau im Fehmarnbelt: Ohne Plan und ohne Geld
Der Tunnel in der Ostsee wird frühestens 2024 eröffnet – wenn überhaupt. Zeit und Kosten laufen Dänemark davon.
HAMBURG taz | Der geplante Tunnel im Fehmarnbelt verzögert sich weiter. Das hat der dänische Verkehrsminister Hans Christian Schmidt (Liberale) jetzt erstmals eingeräumt. In einem Schreiben an die schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn (SPD), das der taz vorliegt, nennt er nun 2024 als möglichen Eröffnungstermin.
Das wäre eine Verschiebung um fast drei Jahre: Ursprünglich war von Ende 2021 die Rede, dann von Anfang 2022. Hagedorn, als Berichterstatterin für Verkehrspolitik im Haushaltsausschuss des Bundestages mit dem Projekt seit Langem vertraut, wertet Schmidts Brief als „Ausdruck von Hilflosigkeit“.
Weitere Verzögerungen deutete am Donnerstag nach einem Krisentreffen mit Schmidt Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) in Kiel an: „Mögliche Korrekturen in der Planung“ könnten zu Verzögerungen um ein weiteres Jahr führen, so Meyer.
Auf deutscher Seite lassen zudem die Planfeststellungen für die Straßen- und Schienenanbindung an den Tunnel zum Teil noch Jahre auf sich warten. Auch sind die zu erwartenden Gerichtsverfahren aufgrund von Klagen von Betroffenen und Umweltverbänden im Zeitplan nicht berücksichtigt.
Grundlage für die Fehmarnbelt-Querung ist ein deutsch-dänischer Staatsvertrag aus dem Jahr 2009.
Strecke: Die gut 19 Kilometer breite Meerenge soll für eine vierspurige Autobahn und zwei Bahngleise untertunnelt werden.
Kosten: Von 5,5 Milliarden Euro im Sommer 2014 ist die Kostenschätzung aktuell auf 7,4 Milliarden Euro gestiegen.
Amortisierung: Die Refinanzierung durch die Tunnelmaut wird auf etwa 39 Jahre veranschlagt.
Anschluss Deutschland: Straßen und Schienen von Fehmarn bis Lübeck sollen von Bund und Bahn ausgebaut werden. Ursprünglich mit 817 Millionen Euro angesetzt, spricht die Bundesregierung nun von mindestens 2,2 Milliarden Euro. Kritiker befürchten Kosten von bis zu drei Milliarden Euro.
Autobahn wird priorisiert
Nach einer mehrstündigen Erörterung in der deutsch-dänischen Verkehrskommission, die seit 2011 über grenzüberschreitende Projekte berät, erklärten Meyer und Schmidt übereinstimmend, dass, unabhängig von der Querung des Fehmarnbelt, „die Jütlandroute die wichtigste Verkehrsachse zwischen Dänemark und Deutschland bleiben wird“. Diese Priorisierung der Autobahn 7 über Flensburg und der parallel laufenden Bahnlinie darf als Andeutung verstanden werden, dass die Bedeutung der Beltquerung sinkt.
Denn zu den zeitlichen Verzögerungen kommt die finanzielle Ungewissheit: Von den veranschlagten Baukosten in Höhe von etwa 7,4 Milliarden Euro (siehe Kasten) will die EU nach einer Mitteilung von Ende Juni lediglich 589 Millionen Euro tragen –weniger als die Hälfte der Summe, die Dänemark bereits eingeplant hatte.
Von einem Minus von rund 700 Millionen Euro sprach Schmidt daraufhin und verlangte von der staatlichen dänischen Baugesellschaft Femern A/S, in Neuverhandlungen mit den Baufirmen deren Kostenvoranschläge um diesen Betrag zu drücken.
Einwendung vom Nabu
Diese Verhandlungen indes laufen so schleppend, dass Dänemark die für diesen Herbst terminierte Verabschiedung des Baugesetzes im Parlament ausgesetzt hat. Frühestens Ende 2018 könnte nun mit dem auf sechs Jahre veranschlagten Tunnelbau begonnen werden –sofern die Finanzierung gesichert ist und die deutschen Gerichte entschieden haben.
Das aber dürfte so nicht eintreten. Denn der Hamburger Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck, der auch die Klagen von Umweltverbänden gegen die Vertiefung von Weser und Elbe in jahrelangen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof vertritt, hält den Tunnelbau für verfassungswidrig.
In einer Einwendung im Auftrag des Naturschutzbundes (Nabu) gegen die Planungen argumentiert Nebelsieck, dass die dänische Staatsfirma Femern auf –oder in –deutschem Boden gar nicht tätig werden dürfe. Bis zur Mitte des Fehmarnbelts ist unstrittig deutsches Hoheitsgebiet.
Ein nicht von Deutschland –sondern nur von Dänemark –beauftragtes Unternehmen dürfe da keinen Tunnel bauen und schon gar nicht auf Fehmarn eine Ein- und Ausfahrt errichten. Die Tunneltrasse sei überdies bis zur Mitte die deutsche Bundesstraße 207 –und für die dürfe Femern A/S keine Maut erheben.
Der schleswig-holsteinische Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr weist das in einer druckfrischen und ebenfalls der taz vorliegenden Erwiderung zurück: Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof hätten bei den Planungen eine „Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz“ festgestellt, heißt es dort. Indes sind beide Gerichte mit dieser Frage auch noch gar nicht befasst worden.
Das aber, so deutet der Nabu an, könne ja noch passieren. Und das, siehe Vertiefung von Weser und Elbe, kann richtig lange dauern.
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