Verurteilung für Roj TV: Stimme der Diaspora
Weil der kurdische TV-Sender mit der PKK sympathisierte, wurde er nun wegen Terrorunterstützung verurteilt. Seine Lizenz darf der Sender aber behalten.
STOCKHOLM taz | "Roj-TV - Stimme der Demokratie" stand auf Plakaten von DemonstrantInnen, die sich am Dienstagmittag vor dem Gebäude des Kopenhagener Amtsgerichts versammelt hatten. Das Gericht sah die Sache in seinem nach fünfmonatiger Prozessdauer verkündeten Urteil anders. Der seit 2004 in Dänemark stationierte kurdische TV-Sender habe sich der Terrorunterstützung schuldig gemacht. Mit der Auswahl der Themen und der Meinungen, die man zu Wort kommen lasse, fördere man "die terroristischen Aktivitäten von PKK/Kongra-Gel". Außerdem werde der Sender offenbar von der PKK kontrolliert und jedenfalls teilweise von ihr finanziert.
Jede der beiden Gesellschaften, die formell Roj TV betreiben, ROJ TV A/S und Mesopotamia Broadcast A/S, wurden zu einer Geldbuße von 2,6 Millionen Kronen (ca. 350.000 Euro) verurteilt. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft wird aber ihr Vermögen nicht konfisziert. Unberührt von dem Urteil ist auch die Sendelizenz. Roj TV darf also weitersenden.
Rechtlich gründet sich das Urteil auf die nach 9/11 verschärfte dänische Antiterrorgesetzgebung, die damit erstmals zur Anwendung kommt. Nach dessen Paragraf 114 e steht ganz allgemein jegliche "Förderung" von Terroraktivitäten unter Strafdrohung von bis zu sechs Jahren Haft. Dass auch möglicherweise als einseitig bewertete Medienberichterstattung diesem Straftatbestand unterfallen soll, war schon vor diesem Prozess kritisiert worden.
Zugang zu Information
Roj-Rechtsanwalt Bjørn Elmquist sieht in dem Urteil einen Verstoß gegen das Recht der Meinungsfreiheit: "Roj TV erreicht Länder, in denen Kurden unterdrückt sind und verfolgt werden. Es sichert dort Zugang zu Informationen und gibt ihnen ein Forum, in dem sie sich äußern können. Das gehört laut UN zu den wichtigsten Menschenrechten."
Und Elmquist ist überzeugt, dass das jetzige Urteil im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht. Dieser habe mehrfach festgestellt, dass der Vermittler einer Botschaft nicht für diese bestraft werden kann, selbst wenn der Urheber sich möglicherweise strafbar mache. Er empfehle den Verantwortlichen bei Roj TV deshalb auch, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.
Unzufrieden zeigte sich aber auch die Gegenseite. Berki Dibek, Botschafter der Türkei in Kopenhagen, sprach von einem "völlig unverständlichen Urteil". Im Prinzip werde sich nichts ändern und Roj TV könne auch in Zukunft seine Botschaft verbreiten. Es war die Türkei, die 2005, einige Monate nach Aufnahme des Sendebetriebs in Dänemark, Roj TV wegen Verstoßes gegen die Antiterrorgesetzgebung angezeigt hatte. Danach war vier Jahre lang nichts geschehen, bis der damalige Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen im Frühjahr 2009 für den Posten des Nato-Generalsekretärs kandidierte. Die Türkei hatte daraufhin ihre Zustimmung zu seiner Person offen von einem Vorgehen Kopenhagens gegen den kurdischen Sender abhängig gemacht.
Im Herbst 2010 erhob die dänische Staatsanwaltschaft Anklage. Von Wikileaks Anfang 2011 öffentlich gemachte "Cablegate"-Dokumente mit Schriftverkehr der Kopenhagener US-Botschaft bewiesen, wie die Türkei und die USA auf die dänische Regierung einwirkten, gegen den Sender juristisch tätig zu werden. Andere Dokumente enthüllten, dass die dänische Staatsanwaltschaft von der Regierung angewiesen wurde, Anklage zu erheben, weil sonst "eine schwere politische Krise" drohe.
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