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Vertrauensverlust der USA

■ In der arabischen Welt hat die Reagan–Administration durch „Irangate“ viel an Glaubwürdigkeit verloren / Während die Affaire im Iran in eine Phase innenpolitischer Auseinandersetzungen fiel, wird sie in Israel ausschließlich als außenpolitisches Problem betrachtet

Während tagtäglich tröpfchenweise neue Details über die Irangate– Affaire an die Öffentlichkeit sickern, ist schon fast in Vergessenheit geraten, wie dieser größte Skandal während der Amtszeit von US– Präsident Reagan ausgelöst wurde: Nicht durch findige journalistische Spürhunde in den USA, sondern durch eine gezielte Veröffentlichung in der libanesischen Zeitung Al Shiraa. Ganz gleich, ob Syrien dabei die Finger im Spiel hatte oder ob eine rivalisierende Fraktion im Iran zum Schlag gegen Parlamntspräsident Rafsanjani und seine politischen Freunde ausholen wollte - das Ziel wäre in jedem Falle dasselbe: Die Führung in Teheran wegen ihrer Kontakte zu den USA in Mißkredit zu bringen. Drei Monate nach der Enthüllung bleibt freilich festzuhalten, daß stattdessen das Ansehen der USA im Nahen Osten durch diese Affaire stark gelitten hat.

Rafsanjani jedenfalls wußte die Gunst der Stunde zu nutzen. Nach der für ihn eigentlich peinlichen Presseveröffentlichung im Libanon trat er die Flucht nach vorne an und gab am 4. November den Besuch des US–Beraters für Fragen der Nationalen Sicherheit, McFarlane, in Teheran bekannt. Zugleich holte er zum Schlag gegen die radikal–fundamentalistische „Organisation für die Unterstützung islamischer Befreiungsbewegungen“ aus, die bereits zuvor wegen einer mysteriösen kurzzeitigen Entführung des syrischen Botschafters ins politische Abseits gedrängt worden war und deren Mitglieder festgenommen worden waren. Dieser Gruppe, geführt von Mehdi Haschemi, dessen Bruder Hadi Schwiegersohn und Mitarbeiter des designierten Khomeini–Nachfolgers Montazeri ist, werden gute Kontakte zu libanesischen Gruppen wie der „Partei Gottes“ (Hisballah) oder dem „Islamischen Heiligen Krieg“ nachgesagt. Im gleichen Atemzug konnte Rafsanjani konservative Hardliner, die in ihren Presseorganen die Zerschlagung der Haschemi– Gruppe bejubelten, davon überzeugen, daß er nicht der „Kommunist“ ist, für den sie ihn hielten. Diese „Konservativen“ witterten schon hinter dem kleinsten staatlichen Eingriff in die Wirtschaftspolitik das Vormarsch des Ostblocks. Dennoch hatte „Irangate“ im Teheraner Parlament ein kurzes Nachspiel. Eine Gruppe von acht Abgeordneten versuchte, durch eine schriftliche Anfrage Rafsanjani an die Kandare zu nehmen. Sie wollten die Namen der Verantwortlichen wissen, die sich mit McFarlane, dem Repräsentanten des „Großen Satans“, getroffen hatten. Doch Khomeni beendete die Debatte, indem er erklärte, das Weiße Haus sieche dahin in Angst vor dem Islam. Verbindungen zu Israel Ein Aspekt scheint jedoch in der Debatte gefehlt zu haben: Die israelische Connection. Offensichtlich tangiert dies die ideologischen Grundlagen des Regimes weitaus stärker als Kontakte zum Teufel im Schwarzen Haus. Der offiziellen Lesart zufolge ist der Krieg gegen den Irak schließlich nur eine Etappe auf dem Weg iranischer Truppenverbände nach Jerusalem. Aus diesem Grunde wird jede Beteiligung Israels an dem Waffengeschäft kategorisch dementiert. Der wendige Rafsanjani stellte klar, sein Land könne keine militärischen Güter von diesem „illegalen Gebilde“ kaufen und fügte hinzu: „Wenn Iran eines Tages erfährt, daß die gelieferten Waffen wohlmöglich aus Israel stammen, werden sie nicht benutzt werden, auch nicht an den vom Irak aufgezwungenen Kriegsfronten.“ Derartige Skrupel hat man bei US–Waffen offensichtlich nicht. Auch die sogenannte „ge mäßigte“ Fraktion in Teheran, die zur Rechtfertigung des Waffengeschäfts in den USA und Israel herangezogen wurde, wird nicht zögern, die Waffen im Krieg einzusetzen. Israel besorgt um Beziehungen zu den USA Während Rafsanjani seine Position über Irangate innenpolitisch letztlich festigen konnte, wird dieselbe Affaire in Israel als ein rein „amerikanisches Problem“ angesehen. Bei den Enthüllungen von US–Staaatsanwalt Meese und späteren Hinweisen auf Israels Anteil bei geheimen Kontakten und Waffenlieferungen für Teheran interessierten nur mögliche negative Folgen für die Beziehungen zum amerikanischen Kongreß, vor allem dort, wo es um eine Beteiligung an Machenschaften gehen könnte, die gegen das Gesetz verstoßen. Jede Beteiligung an der Weiterleitung von Geldern an die nicaraguanische Contra wird deshalb abgestritten. Außenminister Peres hatte keine Schwierigkeiten, dem Parlament zu berichten, es habe auf Wunsch des amerikanischen Verbündeten nur einige Waffenlieferungen an den Iran aus rein humanitären Gründen gegeben, um das Leben von US–Geiseln im Libanon zu retten. Unerwähnt blieb dabei freilich, daß Israel, auf Platz neun der Liste der Waffenexport– Länder, vermutlich schon seit fünf Jahren Kriegsmaterial an den Iran liefert und dabei angeblich 600 Mio. Dollar verdient hat. Auch hatte der Geheimdienstausschuß des US–Senats festgestellt, daß der frühere Ministerpräsident Peres und dessen Berater für Terrorfragen, Nir, im Februar und September 1986 in Washington gegenüber Reagan, Admiral Pointdexter und Oberst North gefordert haben, die von den USA unterbrochenen Waffenlieferungen wieder aufzunehmen. Denn wie auch Peres und Verteidigungsminister Rabin mittlerweise zugegeben haben, ging es weniger um edle Motive als vielmehr um eine „geostrategische Dimension“: Ein großes und wichtiges Land wie Iran dürfe nicht unter sowjetischen Einfluß fallen. Man müsse vielmehr alles daran setzen, daß Iran wieder ein Faktor in der westlichen Strategie und ein Bollwerk gegen den sowjetischen Einfluß im Nahen Osten wird. Oder mit den Worten des Libanon–Koordinators und ehemaligen Botschafters in Teheran und Pretoria, Lubrani: „Israel und Iran haben viele gemeinsame Interessen wie zum Beispiel die Verteidigung gegen arabische Feinde.“ Dahinter steht das Konzept eines „äußeren Gürtels“, das bereits Bestandteil der Vorstellungswelt des israelischen Staatsgründers Ben Gurion war. Es besagt, daß Bündnisse mit Gruppen wie den Kurden im Irak, den christlichen Falangisten im Libanon, der Türkei und dem Iran, aber auch anderen „Feinden meiner Feinde“ in Israels Interesse lägen, um die arabischen Staaten quasi zu umzingeln. Reaktion der arabischen Staaten Die Politik der USA, Israels engstem Verbündeten, wird in der arabischen Welt ähnlich gesehen, freilich mit umgekehrten Vorzeichen. Dort wird sehr genau registriert, wenn die USA einen ihrer militärischen oder verbalen Angriffe gegen ein arabisches Bruderland fahren, auch wenn man mit dessen politischem System wie etwa dem libyschen, nicht übereinstimmt. Im Falle „Irangate“ wurde hier mit Waffenlieferungen an den persischen Staat für seinen Krieg gegen den arabischen Irak eine rote Linie überschritten. Irangate hat der arabischen Welt nachdrücklich ins Bewußtsein gehämmert, daß die USA und Israel im Golfkrieg keine Zuschauer sind. Dennoch hat die Reaktion auf „Irangate“ in Saudi–Arabien und den Golfstaaten eine gewisse Doppelbödigkeit. Namentlich Saudi– Arabien unterhält ein Minimum an Kontakten zur Führung der Islamischen Republik, die auch Waffenlieferungen einschließen. Den Saudis geht es dabei nicht um den Sturz Khomeinis und schon gar nicht um eine Verschiebung des strategischen Gleichgewichts. In ihrem Interesse liegt eher, den Kontakt nicht ganz abreißen zu lassen, vor allem aber, den Einfluß der islamischen Revolutions–Exporteure zurückzudrängen, denn die Golfstaaten fühlen sich vom islamischen Fundamentalismus bedroht. Der abservierten Haschemi–Fraktion in Teheran wird man hier sicherlich keine Träne nachgeweint haben. Glaubwürdigskeitsverlust für die USA Im Golfkrieg unterstützen diese Staaten jedoch unisono den Irak. Daher haben die USA, denen die Könige und Scheichs der Region keineswegs feindlich gesonnen sind, durch Irangate enorm an Glaubwürdigkeit verloren. Der Vertrauensverlust ist ungleich höher als im Falle des Abzugs der US–Marines aus dem Libanon. Auch damals hatten sich die Herrscher der Region die Frage gestellt, ob man sich im Falle einer Bedrohung der eigenen Herrschaft noch auf die Hilfe Washingtons werde verlassen können. „Die jüngsten Handlungen der USA haben unseren bilateralen Beziehungen ernsthaften Schaden zugefügt und alle Brücken des Vertrauens mit den USA zerstört“, erklärte etwa der stellvertretende irakische Ministerpräsident Ramadan am 17. Januar. So müssen sich die USA nun daran machen, die Scherben des Porzellans, das sie selbst zerschlagen haben, wieder zu kitten. Der Nahost–Beauftragte Murphy wurde losgeschickt, um gut Wetter zu machen. Doch die arabischen Staaten fordern ihren Preis, politisch wie militärisch. Nachdrücklich machen sie sich für eine internationale Konferenz stark, auf der unter Beteiligung der PLO und der ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates (d.h. auch der Sowjetunion) die palästinensische Frage gelöst werden soll. Demgegenüber wollen die USA und Israel das Nahostproblem nach wie vor im Alleingang mit Jordanien regeln. Auch die Teilnehmer des Gipfeltreffens der islamischen Staaten in Kuwait sprachen sich kürzlich für solch eine Konferenz aus, und der jordanische König Hussein sammelte in dieser Hinsicht Punkte bei Gesprächen in Frankreich und Italien. Im militärischen Bereich möchte die arabische Welt jetzt ebenfalls absahnen. Lieferungen der hochentwickelten F–16– Kampfflugzeuge an Bahrain und Ägypten wurden bereits durchgesetzt. Der jordanische König Hussein faßte die Stimmung in einem Interview mit Radio Monte Carlo am 14. Januar prägnant zusammen. Der Kredit der USA, so erklärte er, sei nach dem Waffendeal mit Iran „nahe Null“. (Unter Mitarbeit von Robert Sylvester in Teheran, Amos Wollin in Israel und William Hart in Bahrain)

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