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Vertiefen und erweitern

■ Der Streit um Stoibers Europa-Thesen gewinnt an Härte und Komik

München/Bonn (AP) – Der vom bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ausgelöste Koalitionsstreit über die Europapolitik wird mit immer härteren Bandagen geführt. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Heiner Geißler, warf dem CSU-Politiker nach dessen Plädoyer für eine Verlangsamung des Integrationsprozesses gestern „Hochverrat“ an den deutschen und europäischen Interessen vor. Bereits am Samstag hatten sich der CSU-Vorsitzende Theo Waigel sowie der FDP-Chef und Bundesaußenminister Klaus Kinkel von den Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten distanziert.

Waigel sprach sich eindeutig für eine gleichzeitige Vertiefung und Erweiterung der EG aus. Beides sei kein Gegensatz, betonte er. Stoiber hatte dagegen eine langsamere Vertiefung und eine schnellere Öffnung nach Osten gefordert.

Die bayerische Staatskanzlei verteidigte gestern Stoibers Position. Ohne auf die Äußerungen Waigels einzugehen, wies Staatskanzleichef Herbert Huber Vorwürfe von FDP und SPD zurück. „Wer Stoibers Plädoyer für einen europäischen Staatenbund als europäische Friedensordnung im Zeichen von Subsidiarität und Zusammenarbeit, aber gegen einen Bundesstaat mit Zentralismus, Regelungsperfektionismus und EG- Bürokratismus als Nationalismus diffamiert, weiß nicht, wovon er redet, oder er verleumdet bewußt“, sagte Huber.

Geißler nannte Stoibers Thesen gefährlich. Ohne europäische Einigung würden die einzelnen Staaten Europas zu Kolonien der Ostasiaten und der Amerikaner. Geißler trat für eine schnellere Integration im Westen ein. Dabei müsse Europa aber noch „weiter demokratisiert“ werden. Stoiber habe sich in eine national gesinnte Front eingereiht, zu der auch „die deutschfeindliche alte Tante aus England“ gehöre. Dies sei eine falsche Strategie, um rechte Wähler an die Union zu binden.

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