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Archiv-Artikel

Verteidigung und Anklage sind sich einig

Im Brechmittel-Prozess vor dem Bremer Landgericht plädiert die Verteidigung wie die Staatsanwaltschaft auf Freispruch des angeklagten Polizeiarztes. Nur die Nebenklage sieht ausreichend Belege für einen Schuldspruch

Mit heftigen Vorwürfen an das Landgericht und die Polizei ist gestern in Bremen der Brechmittel-Prozess zu Ende gegangen. Dabei plädierte die Verteidigung des angeklagten Polizeiarztes – wie zuvor schon die Staatsanwaltschaft – darauf, Igor V. vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Die Nebenklägerin Elke Maleika dagegen sieht den Angeklagten als „schuldig“ an – sie vertritt die Familie des vor drei Jahren bei einem zwangsweisen Brechmitteleinsatz zu Tode gekommenen Kleindealers Laya Condé. Der Sierra Leoner war in Polizeigewahrsam ins Koma gefallen und einem Hirntod erlegen.

Sein Tod „hätte verhindert werden können“, stellte Maleika fest – hätte V. nicht „alle offenkundigen Anzeichen“ einer Bewusstseinstrübung „ignoriert“. Condé, der das Brechmittel wider Willen per Magensonde verabreicht bekam, war nach einer knappen Dreiviertelstunde nicht mehr ansprechbar, galt jedoch mehr oder minder als Simulant. Die Exkorporation wurde zunächst fortgesetzt – obwohl sie, jedenfalls laut Nebenklage, gemäß Dienstanweisung hätte abgebrochen werden müssen. Zumal bereits feststand, dass Condé kleine Mengen an Kokain bei sich trug, als sein Gesundheitszustand sich verschlechterte.

Strittig ist nach wie vor, ob Condé „ertrank“, weil ihm von V. soviel Wasser in seinen Magen gepumpt wurde, dass es schließlich in die Lunge eindrang. Diese Position vertrat gut die Hälfte aller acht Gutachter. Einer anderen Theorie zufolge litt Condé seit längerem unter einem Herzmuskelschaden, so dass er, wie der Verteidiger Erich Joester sagt, „jederzeit hätte sterben können“. Auch Maleika musste einräumen, dass der Prozess hinsichtlich der Todesursache „kein klares Ergebnis“ hervorgebracht hat.

Sie zeigte sich „erschrocken“ über das „krude medizinische Halbwissen“ und das ausgeprägte Maß an Vorurteilen, mit dem die beiden unerfahrenen Polizisten den Brechmitteleinsatz geleitet hätten. Ihnen sei Condés „lebensbedrohliche Zustand“ noch nicht einmal aufgefallen. Zudem sei ihre Maßnahme bar jeder Verhältnismäßigkeit gewesen. Condé hätte im Falle einer Verurteilung allenfalls eine Bewährungsstrafe gedroht.

Joester bezichtigte die Strafkammer „völlig befangen“ zu sein. Den RichterInnen sei der „Mangel an Ernsthaftigkeit auf die Stirn geschrieben“, so Joester. Zudem habe ihre Verhandlungsführung immer wieder „Alltagsweisheiten allerschlimmster Güte“ offenbart. JAN ZIER