Verstöße gegen Grundwerte der EU: Brüssel droht Rumänien mit Verfahren
Lange hat sich die EU-Kommission nachsichtig gezeigt. Doch nun winkt dem Balkanland ein ähnliches Schicksal wie Ungarn.
Rumänien droht damit ein ähnliches Schicksal wie Ungarn und der dortigen Regierungspartei Fidesz. Allerdings mit einem Unterschied: In Ungarn war es Regierungschef Viktor Orbán höchstpersönlich, der mit einer Schmutzkampagne gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker für Ärger sorgte. Die konservative Europäische Volkspartei EVP hat Fidesz daraufhin im März nach langem Zögern suspendiert.
In Rumänien dagegen hält sich die Regierung zumindest nach außen hin zurück. Den EU-Ratsvorsitz, der noch bis Juni dauert, führt sie ziemlich geräuschlos. Frontale Attacken auf Brüssel wie aus Ungarn hat es nicht gegeben. Das Problem sitzt tiefer, in der Innenpolitik. Die sozialdemokratische PSD versucht, in die rumänische Justiz einzugreifen und den Kampf gegen Korruption zu behindern.
Die Regierungspartei steht unter anderem wegen einer Amnestie für Politiker in der Kritik, die wegen Korruption verurteilt wurden. Für massiven Unmut in Brüssel sorgt zudem der Streit um die rumänische Kandidatin Laura Codruta Kövesi für das neugeschaffene Amt des EU-Staatsanwalts. Mitten im laufenden Bewerbungsverfahren hat die Regierung gegen Kövesi Anklage eingeleitet.
Pikant für europäische Sozialdemokraten und Kommission
Der 45-Jährigen wird Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen – dabei hat sie sich wegen ihres entschlossenen Kampfes gegen Bestechlichkeit in ihrer Heimat einen Namen gemacht. Pikant ist das Ganze nicht nur für die PSD und die ihr verbundenen europäischen Sozialdemokraten, sondern auch für die EU-Kommission. Sie berät die Regierung in Bukarest nämlich im Kampf gegen Korruption.
Lange zeigte sich die Brüsseler Behörde nachsichtig. Rumänien mache Fortschritte, hieß es. Erst nachdem die Konservativen von der EVP, die wegen Orbán in die Defensive geraten waren, mit dem Finger auf Rumänien und auf die Sozialdemokraten zeigten, wachte die Kommission auf. Eine Straffreiheit für hochrangige Politiker, die wegen Korruption verurteilt wurden, werde man nicht dulden, warnte Vizepräsident Frans Timmermans Anfang April.
Nun, wenige Tage vor Beginn der heißen Phase des Europawahlkampfs, soll plötzlich alles ganz schnell gehen. Die Unabhängigkeit der Justiz sei in Gefahr, die EU-Kommission werde nicht mehr lange tatenlos zusehen, erklärte EU-Justizkommissarin Věra Jourová am Montagabend im Europaparlament in Straßburg. „Wir wollen Taten sehen – besser früher als später“, fügte sie hinzu.
Für die Konservativen ist das nicht genug. Sie wollen, dass die Kommission ein Rechtsstaatsverfahren einleitet – genau wie gegen Ungarn. „Es ist höchste Zeit, dass auch gegen Rumänien ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips eingeleitet wird“, sagte die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle.
Streit kommt im Wahlkampf an
Der Streit um die Grundwerte ist damit wohl endgültig im Europa-Wahlkampf angekommen. In dieser Woche endet die Legislatur des Europaparlaments, nach Ostern beginnt die heiße Phase.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste