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Versprechen am TelefonGlückliche Gewinner gemacht

Das Amtsgericht Bremen verurteilt eine 51-Jährige, die Adressen kaufte und Menschen zu Gewinnern einer Reise machte, um an ihnen zu verdienen. Denn natürlich kosteten die Reisen am Ende doch so einiges.

Wer denkt schon an Zuastzkosten, wenn eine Telefonstimme etwas von "Hauptgewinn" und "Traumreise nach Antalya" säuselt? Bild: dpa

Wenn das Glück ganz unversehens aus dem Telefonhörer kommt, dann kann es gut sein, dass ein Gewinn gar kein Gewinn ist, ein Traumurlaub tatsächlich kein Traumurlaub und Luxus nur ein Wort. Aber wer merkt das schon, wenn das Telefon klingelt und der Anrufer ihm zum Gewinn eines einwöchigen Luxus-Urlaubs mit fünf Sternen in der Türkei gratuliert?

Sabine J. hat über gut anderthalb Jahre Geschäfte mit Menschen gemacht, die da nicht skeptisch wurden, obwohl man skeptisch werden sollte, nach all dem, was man über Gewinnspiele gelesen hat. J. hat mit ihrer Firma Menschen zu Gewinnern von Türkei-Reisen gemacht - obwohl die niemals an einem solchen Gewinnspiel teilgenommen hatten. Aber der vermeintliche Gewinn sollte nur der Türöffner sein, um den Reisenden Geld aus der Tasche zu ziehen. Weil - wie sich später herausstellen würde - die gewonnene Reise eben doch Kosten verursachte. Die Staatsanwaltschaft Bremen sah darin einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, weil sich J. mit ihrem Vorgehen einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft habe. Gestern wurde der Fall vor dem Bremer Amtsgericht verhandelt.

J., gelernte Friseurin, hatte nach einer zerbrochenen Ehe einen Mann kennen gelernt, der in der Kaffeefahrten-Branche tätig war, trennte sich, blieb der schmuddeligen Szene, in der ahnungslosen Rentnern überteuerte Rheumadecken aufgeschwatzt werden, aber treu: 1993 heiratete sie in Florida einen Mann, den der Vorsitzende Richter im Prozess "eine Größe im Kaffeefahrergeschäft" nannte. Bis zur Trennung 2006 sei sie "eigentlich nur Hausfrau, Mutter und Ehefrau" an seiner Seite gewesen, scheint sich aber einiges von seinen Geschäftspraktiken abgeguckt zu haben.

Verbraucherschützer nennen Tricksereien mit Gewinnspielen und vermeintlichen Luxusreisen eine moderne Form der Kaffeefahrt. Die Geschäftsidee für ihr Unternehmen mit dem wohlklingenden Namen "DTC Dienstleistungszentrum für Telefonmarketing und Call Center" - später umbenannt in "Vivaair Reiseclub Ltd." - mit Sitz in der Kattenturmer Heerstraße in Bremen jedenfalls sei ihr noch während der Ehe mit dem Kaffeefahrten-Ausrichter ganz alleine gekommen: Über DTC kaufte sie Adressen, für die es ja einen großen, lukrativen Markt gibt. Mal zahlte sie 1,50 Euro für eine Adresse, mal auch fünf Euro - und ließ ihre 30 Mitarbeiter die Personen anrufen und verkünden, sie hätten eben jene Luxusreise in die Türkei gewonnen. Wer sich so sehr freute, dass er gleich zusagte, bekam einen Tag später die Reiseunterlagen, ausgeschmückt mit allerlei Verlockungen und garniert mit zwei verträumten Urlaubern am Pool und einem Wilhelm-Busch-Spruch: "Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur, darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ists! Reise, reise!"

Adresshandel

Der Handel mit Adressen ist ein lukratives Geschäft, für das etwa die Telekom eine eigene Tochterfirma gegründet hat.

Legal ist das Geschäft, so lange keine persönlichen Daten wie Bankverbindungen und persönliche Vorlieben gehandelt werden.

Adressen, die ge- und verkauft werden, stammen häufig aus Gewinnspielen, bei denen es oft gar nichts zu gewinnen gibt. Nur die Teilnehmeradressen sind gefragt. Findige Unternehmer haben sich darauf spezialisiert und durchsuchen auch Familienanzeigen in Tageszeitungen nach Adressen, die sie dann verkaufen.

Verbraucherschützer raten zu mehr Sorgfalt mit der eigenen Adresse.

150 bis 200 solcher Gewinnmitteilungen will J. mit ihrer Firma tagtäglich überbracht haben, bis zu 1.000 in der Woche. Über anderthalb Jahre werden da so manche Gewinner ihre Koffer gepackt - und über die Kosten gestaunt haben. Wirklich kostenlos wäre die Reise nur gewesen, wenn sich Einzelreisende den Einzelzimmer-Zuschlag von 270 Euro gespart und mit einem anderen Reisenden ein Doppelzimmer geteilt hätten. Hinzu kamen Saisonzuschläge, Buchungspauschalen, Flughafengebühren und Eintrittspreise. In einschlägigen Internetforen finden sich noch heute - drei Jahre, nachdem J. in die Insolvenz ging - Klagen über die Reisen und was sie tatsächlich kosteten. Irgendwann überwarf sich J. mit dem türkischen Reiseveranstalter, was wohl vor allem daran lag, dass er ihr so genannte No-Show-Gebühren aufdrückte, eine Art Verdienstausfall, wenn Reisende nicht wie erhofft Fahrten in Teppichknüpfereien und Basare buchten. "Wir haben uns richtig gefetzt", sagte J., worauf die bis dahin funktionierende Zusammenarbeit eingestellt wurde. Zeitgleich geriet ihr Privatleben in eine heftige Krise: Ihr Mann trennte sich von ihr, da hatte sie "überhaupt keine Birne mehr für andere Sachen". Sie hörte dann bald ganz damit auf.

Heute arbeitet sie als Bürokraft, will aber nicht mehr dazu sagen. Geschädigte von damals vermuten, sie habe mit einem Partner ein Internet-Flirtportal gegründet. Gestern wurde J. zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten auf Bewährung verurteilt.

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3 Kommentare

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  • SP
    Siegfried Paul Posch

    Hinzufügung zu meiner Notiz "10.03.2010 12:06 UHR"

     

    Dieses E-Mail soll einen Spendenaufruf "missio"

    begünstigen.

     

    Zum J o h a n n e s b e r g - Breslau - und zu

    dem zweiten noch: in Österreich überaus angespannt

    debattiert wurde ja über die Frage, ob Wallfahrt

    sinnvoll sei. In der Steiermark würden geographisch

    zwei Kirchen auffallen, die zu den bekannteren

    wohl nicht gehören: Frauenberg beim Benediktiner-

    Stift Admont und Frauenberg oberhalb der

    Stahl-Stadt Kapfenberg an der Mürz. Nun erlangte

    es zuletzt wohl eine nicht vorab zu leugnende

    Bedeutung, ob eine Kirche sich als "Basilika"

    bezeichnen darf. Vor mir liegt auf dem Tisch der

    Artikel "Basiliken" in:

    KIRCHEN-LEXIKON

    ODER ENZYKLOPÄDIE DER KATHOLISCHEN THEOLOGIE

    UND IHRER HILFSWISSENSCHAFTEN

    Herausgegeben unter Mitwirkung der

    ausgezeichnetsten katholischen Gelehrten

    Teutschlands von

    Dr. H. J. Welte und Dr. B. Welte

    ...

    Freiburg im Breisgau ... 1857

    aufgeschlagen. Ich versuchte andernorts schon zu

    sagen, daß mir diese ursprüngliche Ausgabe des

    Lexikons - elf Bände und ein Ergänzungsband -

    weiterhin in hohem Maß unentbehrlich scheint.

    Nun würde das Lekikon (der Autor des Artikels

    ist angegeben: Werfer) als "die ältesten ...

    Basiliken ... die vom Bischof Paulinus 313 -

    322 zu Tyrus und die von Constantin d. Gr. ...

    zu Jerusalem errichtete" nennen. Aber: gibt es

    einen in der Geschichte Europas liegenden Grund,

    weshalb der antike Gerichtsgebäudetypus Basilika

    in T y r u s die Funktion einer Kirche zu

    erhalten schiene?

    Siegfried P. Posch

  • SP
    Siegfried Paul Posch

    Wenn Sie eine Liste der als groß geltenden Zeitungen

    Deutschlands, der Schweiz und Österreichs erstellen:

    Wieviele fänden sich auf Ihrer Liste ohne

    "Internet-Flirtportal"? Ohne "Elite"-Flirtportal?

    Hier wird immerhin jemand vor Gericht gestellt.

    Ich wurde gestern um die Mittagszeit angerufen,

    weil ein bestimmter Name - nicht mein Name -

    Gewinnspiel-Rechtsträgern zur Vefügung zu stehen

    scheint. Zum dritten Mal werde ich bereits wegen

    jenes bestimmten Namens angerufen. Obwohl ich

    schon höflich mitzuteilen versuchte, daß die

    Verwendung jenes bestimmten Names wohl ein Versehen

    darstelle. Der Anrufende nannte seinen präsumtiven

    Namen, M. S., und sagte, er rufe aus Innsbruck an.

    Er sei Deutscher! Ich klickte auf diesem Bildschirm

    die von ihm genannte "w w w" - Adresse an -

    Postadressen und Telefonnummer scheinen zu

    existieren, wenn auch mitgeteilt wird: "wir"

    ... "überarbeiten derzeit" ... unsere

    "Internetseite"; in "Innsbruck" und ursprünglich

    - ? - "zwischen Ruhrgebiet und Münsterland".

    Zumindest scheinbar unabhängig von jenem bestimmten

    Namen nun: aus sehr umfangreicher elektronischer

    und telefonischer Kommunikation geht hervor, daß

    ich als Begünstigter auch von einem Rechtsträger

    "Süddeutsche Klassenlotterie" zugleich unter

    Berufung auf einen Rechtsträger "RTL" behandelt

    werde. Mit der wenig schmeichelhaften und wohl

    auch nicht altersneutralen Distanzverwahrung, ich

    sei vielleicht "kamerascheu".

    Aber: ich habe nun die Frage, ob nicht alles hier

    Geschilderte sektenhaften Anstrich hat. Und deshalb

    noch einmal eine Frage, die ich zwei Personen

    stellte, die vor nicht langer Zeit hier an der

    Wohnungstür anläuteten und die ich bat, hier am

    Tisch Platz zu nehmen, weil sie sagten, sie wollten

    über Jesus sprechen. Im Evangelium des Johannes

    wendet sich Jesus an einer Stelle - s. Vers 8,38 -

    um. Dann folgt - s. Vers 8,39 - eine Zeitangabe:

    "ungefähr die zehnte Stunde". Auf drei Uhren,

    die ich hier vor mir habe, wäre das ungefähr "16:00

    UHR". Glauben Sie, daß daraus auf ein Buch "Judit"

    eines österreichischen Schulbuchs DIE BIBEL

    Rückschlüsse gezogen werden können? Die zwei

    Personen, die hier am Tisch saßen, stützen sich

    auf eine "A l l i o l i'sche Übersetzung der

    hl. Schrift", welche "Fürstbischof" von Breslau

    "Dr. Georg Kopp" begrüßt. "Sommerresidenz" der

    Fürstbischöfe von Breslau war Schloß Johannesberg.

    Das Haupt des Täufers, im Stadtwappen von Breslau

    enthalten, ist auch in Beziehung zum gotischen

    Dom von Breslau zu bringen: zu dessen "Patronat"

    Johannes. Das "äußerst seltene" Fest "Johannes'

    Enthauptung" würde am "29. August"

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Johannesberg_%28Bayern%29

     

    (ich zitiere als Mitarbeiter der "Wikipedia")

    gefeiert.

    Siegfried P. Posch

  • EB
    Ein Bürger

    Dass die Medien immer wieder und immer öfter über solche unseriösen Praktiken gegenüber den Verbrauchern berichten, belegt zum wiederholten Male dass diese Berichterstattung und eine deutliche Verschärfung des Datenschutzes und des Verbraucherschutzes nichts bringen, solange wir selbst, also die Bürgerinnen und Bürger, nicht sorgsamer mit unseren eigenen und persönlichen Angaben umgehen und vor allem kritisch hinterfragen. Warum muss man ein Geburtsdatum angeben wenn die Teilnahme ohnehin erst ab 18 Jahren möglich ist? Wieso gehört eine Telefonnummer zu den unbedingt erforderlichen Angaben, wenn die Gewinner sowieso schriftlich benachrichtigt werden? Warum ist die Adresse (wo man die Teilnahmekarte hinschicken muss) in Karlsruhe obwohl der herausgebende Verlag der Zeitung (die das Gewinnspiel durchführt) seinen Sitz in Berlin hat?