Versorgungskrise in Sri Lanka: 4- statt 5-Tage-Woche gegen Hunger
Sri Lanka kürzt Staatsangestellten die Arbeitszeit für drei Monate, damit sie Lebensmittel anbauen. Wer kann, soll im Ausland arbeiten.
„Es scheint angemessen, den Beamten pro Woche einen Tag frei zu geben und sie mit den notwendigen Dingen auszustatten, damit sie in ihren Hinterhöfen landwirtschaftlich tätig werden können,“ verkündete die Regierung nach einer Kabinettssitzung am Montagabend auf ihrer Webseite.
Die Regierung erwartet, dass sich die schwerste Versorgungskrise seit Jahrzehnten noch weiter zuspitzen wird. Die Vereinten Nationen warnen vor einer Hungersnot, schon jetzt müssten vier Fünftel der Bevölkerung auf Mahlzeiten verzichten. Kritiker bemängeln jedoch, dass viele Staatsangestellte gar keine Möglichkeiten zum Anbau von Lebensmitteln haben. Immerhin sollen mit der Maßnahme keine Gehaltskürzungen verbunden sein.
Der südasiatische Inselstaat mit 22 Millionen Einwohnern hat mehr als eine Million Angestellte im Staatsektor. Ausgenommen von der neuen Regelung sind die zur Versorgung wichtigen Beschäftigten in Krankenhäusern, in Häfen und Flughäfen, im Energie- und Wassersektor sowie in Bildung, Militär und Polizei.
Versorgungskrise und hohe Inflation
Von dem Verzicht auf den Transport der Mitarbeiter zur Arbeit verspricht sich die Regierung Energieeinsparungen. Derzeit gibt es an den Tankstellen des von seiner schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten gebeutelten Landes lange Schlangen.
Gleichzeitig kommt es zu massiven Stromausfällen. Die Inflation beträgt schon 38 Prozent, bei Treibstoffen und Transportpreisen sogar 91 Prozent.
In den letzten Wochen hat die Wirtschaftskrise, für die eine verfehlte Steuerpolitik sowie globale Entwicklungen (Einbruch des Tourismussektors wegen Corona) verantwortlich gemacht werden, zu massiven regierungskritischen Protesten geführt. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Unruhen mit Toten. Die Proteste richteten sich vor allem gegen den herrschenden Rajapaksa-Clan, der bis dahin den Präsidenten, den Premier und mehrere Minister stellte.
Inzwischen ist nur noch Präsident Gotabaya Rajapaksa im Amt. Der Rest seiner bisher sehr einflussreichen Familie musste von ihren Ämtern zurücktreten.
Momentan verhandelt die neue Regierung von Premierminister Ranil Wickremesinghe mit dem Internationalen Währungsfonds, aber auch mit wichtigen Gläubigern wie Indien und China, über finanzielle Hilfspakete. Delhi und Peking buhlen in dem strategisch im Indischen Ozean gelegenen Inselstaat um Einfluss.
Die Regierung fordert auch ihre Landsleute auf, zum Arbeiten ins Ausland zu ziehen und regelmäßig Geld an die Angehörigen in Sri Lanka zu überweisen. Den Staatsangestellten wird versprochen, dass sie nach einer Auslandsbechäftigung innerhalb von fünf Jahren an ihren früheren Arbeitsplätze zurückkehren können und dabei keine Nachteile bei der Rente haben werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten