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Verschwendung von SteuergeldEin profitabler Auftrag

Im Mediationsverfahren zur Sanierung des Landwehrkanals hat das Wasser- und Schifffahrtsamt hunderttausende Euro für PR bezahlt.

Jahrelang beschäftigte sich ein Mediationsverfahren mit den Bäumen am Landwehrkanal Bild: dpa

Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Berlin hat jahrelang eine freiberufliche Kommunikationsberaterin für rund 10.000 Euro im Monat beschäftigt. Ihre Aufgabe war, während des Mediationsverfahrens zur Sanierung des Landwehrkanals den Kontakt zu Anwohnern und Medien zu halten. Der taz liegen interne Unterlagen aus der Behörde vor (Teil 1, Teil 2), die diese Steuergeldverschwendung belegen und außerdem die Frage aufwerfen, ob hier ein Fall von illegaler Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahr 2007: Das Wasser- und Schifffahrtsamt will Bäume entlang des Landwehrkanals fällen, um das Ufer zu entlasten. Rund 1.000 Menschen demonstrieren dagegen in Kreuzberg, mehr als 20.000 Unterschriften kommen zusammen. Dem damaligen Amtsleiter Hartmut Brockelmann wird mangelhafte Kommunikation vorgeworfen, er kommt in der Presse schlecht weg, es gibt Rücktrittsforderungen (siehe die damalige taz-Berichterstattung).

Der Amtsleiter holt sich Hilfe von der freiberuflichen Kommunikationsberaterin Evelyn B., um sein Image und das des Amtes zu retten. „Sie wurde da als Puffer reingeholt“, erinnert sich Achim Appel vom Bürgerverein „Bäume am Landwehrkanal“.

Ausschreibung erst nach zwei Jahren

Für Brockelmann selbst kommt die Hilfe zu spät: Er wird kurz darauf abberufen. Aber Evelyn B. bleibt. Sie übernimmt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit während des nun startenden Mediationsverfahrens. Das Wasser- und Schiffahrtsamt, das als Bundesbehörde dem damaligen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee untersteht, holt für dieses Verfahren alle beteiligten Stellen an einen Tisch: Senat und Bezirke, Unternehmen und Verbände, Denkmalamt und Bürger. Und weil so viele verschiedene Stellen beteiligt sind, kommt das Verfahren nur sehr zäh voran.

Als gut zwei Jahre später absehbar ist, dass das Verfahren noch länger dauern wird, entscheidet sich das Amt, die Dienstleistung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auszuschreiben. Es gehen nur fünf Bewerbungen ein. Der Auftrag geht an die Frau, die ihn auch bisher schon hatte: Evelyn B.

62,47 Euro pro Stunde

„Wir waren sehr zufrieden mit ihr“, sagt Anwohner Achim Appel. Sie habe „ein modernes Kommunikationsverfahren reingebracht“, sei stets ansprechbar gewesen und habe zwischen Bürgern und Behörde vermittelt.

Auch Evelyn B. dürfte sehr zufrieden damit gewesen sein, weiter als Freiberuflerin für das Amt zu arbeiten - denn der Vertrag mit ihr sieht beachtliche Konditionen vor: Sie kann für jede Arbeitsstunde 50 Euro abrechnen. Plus 19 Prozent Mehrwertsteuer. Plus 5 Prozent pauschaler Zuschlag für Nebenkosten. Macht brutto 62,47 Euro die Stunde.

Für Freiberufler, die ab und zu mal auf Stundenbasis für einen Auftraggeber arbeiten, ist das vielleicht nicht ungewöhnlich. Aber Evelyn B. arbeitet über Jahre hinweg im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche für das Wasser- und Schifffahrtsamt. Laut den Verträgen erhält sie zwischen Juli 2010 und Januar 2013 insgesamt 304.503 Euro, das sind knapp 10.000 Euro im Monat. Auf Seiten des Amtes werden die Verträge von dem derzeitigen Amtsleiter Michael Scholz persönlich unterzeichnet.

Relativ konstanter Arbeitsaufwand

Scholz verteidigt den Auftrag, der in einem freihändigen Verfahren an Evelyn B. ging: „Die gewählte Vergabeart ist im Rahmen des Verwaltungshandelns zulässig. Auf diese Weise konnte schnellstmöglich nach Auswahl eine Beauftragung erfolgen.“

Die Arbeit von Evelyn B. für das Amt endet erst im Januar 2014, kurz nachdem auch das jahrelange Mediationsverfahren vorbei ist. Sie war also gut sechs Jahre für das Amt tätig. In der Zeit gab es zu einigen Spitzenzeiten eine erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit, zwischendurch war es aber auch mal länger sehr ruhig um das Verfahren. Wie erklärt sich, dass der Arbeitsaufwand trotzdem über Jahre hinweg recht konstant blieb und immer ungefähr so groß war, dass eine Person damit vollzeit beschäftigt war? Amtsleiter Scholz verweigert die Antwort: „Ihre Fragen betreffen zum Teil Vertragsinhalte, deren Veröffentlichung schutzwürdige private Interessen verletzen und öffentliche Interessen gefährden würden.“

Warum wurde nie geprüft, ob die Leistung auch günstiger erbracht werden kann? Keine Antwort von Scholz.

Warum hat das Amt trotz seiner rund 400 Mitarbeiter die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Mediationsverfahren nicht selbst erledigt? Keine Antwort.

Auffällige Stückelung des Auftrages

Auffällig ist, dass das Wasser- und Schifffahrtsamt den Auftrag an Evelyn B. in eine Reihe von zeitlich begrenzten Teilaufträgen gestückelt hat. Der ursprüngliche Vertrag vom Juli 2010 lief nur über zwölf Monate. Dann wurde der Vertrag verlängert. Die internen Unterlagen zeigen, dass dem Amt zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass das Mediationsverfahren "mindestens bis Ende 2011" läuft, also höchstwahrscheinlich länger als bis zu diesem Zeitpunkt. Trotzdem wurde die Tätigkeit von Evelyn B. in dem Folgevertrag auf Ende 2011 befristet. Insgesamt gab es fünf zeitlich befristete Verträge, der letzte lief bis zum 31. Januar 2013.

Der sechste Vertrag war dann zeitlich unbefristet. Es heißt in dem Dokument zwar zunächst, die Arbeit von Evelyn B. sei "noch für ca. 2 Monate notwendig". Aber ein genaues Datum ist nicht mehr festgelegt, sondern als Termin ist diesmal der "Abschluss der Mediationsvereinbarung" genannt. Am Ende dauerte es bis dahin dann nicht zwei Monate, sondern gut zehn Monate.

Selbstständig oder scheinselbstständig?

Warum hat das Amt den Auftrag derart gestückelt? War das Ziel, die einzelnen Auftragssummen niedrig zu halten, weil nur bei niedrigen Auftragssummen eine freihändige Vergabe an die gewünschte Auftragnehmerin möglich ist? "Die Verträge wurden entsprechend des geplanten Verlaufs des Mediationsverfahrens befristet", heißt es in der Stellungnahme von Amtsleiter Michael Scholz. Sprich: Sein Amt hatte ja eigentlich geplant, dass das Mediationsverfahren viel kürzer dauert, es kam dann aber immer etwas dazwischen.

Aber warum hat das Amt eigentlich bis zuletzt keine Sozialversicherungsbeiträge für Evelyn B. abgeführt? Schließlich stellt sich hier die Frage, ob man bei jahrelanger Vollzeitarbeit für einen Auftraggeber überhaupt noch von Selbstständigkeit sprechen kann oder ob es sich doch eher um Scheinselbstständigkeit handelt. Hier wieder: Keine Antwort des Amtsleiters.

Haben Sie weitere Informationen zu diesem Fall? Sie erreichen den Autor des Artikels unter heiser@taz.de oder 030/25902-140.

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14 Kommentare

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  • K
    Kari

    Lieber Herr Heiser!

     

    Wie kann man das Engagement eines freien Mitarbeiters mit einer ausgeschriebenen Festanstellung vergleichen? Das beweist, dass Sie keine Ahnung haben, wovon Sie da schreiben.

    Vielleicht informieren Sie sich mal über die Risiken eines Selbstständigen, ehe Sie einen solchen unsinnigen Vergleich durchführen. Diese Risiken müssen ja nun auch in die Kalkulation eines Honorars mit einfließen.

    • ZD
      Zwischen den Kommentarzeilen
      @Kari:

      Nur eine interessierte Frage, um Ihre Kritik nachzuvollziehen: Sind Sie in Wahrheit Evelyn B.?

  • J
    Johanna

    Ich weiß wirklich nicht, woher Sie Herr Heiser die Chuzpe nehmen, zu behaupten 62,47 Euro pro Stunde brutto sind auch in einem längeren Arbeitsverhältnis viel Geld für eine Kommunikationsexpertin. Wenn die Leistung stimmt, dürfen Sie sich über dieses günstige Angebot auch freuen. Vermutlich würden auch Sie gerne dem Eindruck entgehen, mit unfundierten Vergleichen die in die Jahre gekommene taz Klientel noch einmal zu einem Wutbürgerschub mobilisieren zu wollen?

  • L
    lignin

    Da hat doch tatsächlich jemand 8500€ brutto pro Monat vedient.. nach Steuern und Versicherugen vielleicht 4.250€ - ich bin schockiert! Für einen echten Aufreger reicht das bei mir nicht. Interessant wäre natürlich, ob dafür wenigstens irgendwas lesenswertes geleistet wurde? Wenn nicht wäre jeder Euro zuviel.

  • S
    Sabine

    Laut dem Artikel "Landwehrkanal: Über ein unnötiges Verfahren.

    Untersuchung eines vermeintlichen Vorzeigeprojekts"

    war das Mediationsverfahren insgesamt eine ziemlich schlecht gemachte Kiste. Mit noch viel mehr unsinniger Steuergeld - Vernichtung, siehe

    https://www.freitag.de/autoren/a-guttzeit/landwehrkanal-ueber-ein-unnoetiges-verfahren

     

    Wenn man dort verlinkte Protokolle liest, kann man nur den Kopf über die seltsamen "Qualitätsstandards" der Mediatoren schütteln, die sicherlich ebenso überzahlt wurden von dem Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) wie die im taz-Artikel genannte externe Kommunikationsberaterin.

    • I
      Interessierter
      @Sabine:

      den von Matthias verlinkten brandeinsbeitrag finde ich sehr gut, doch Deinen freitagartikel weniger.

  • M
    Matthias

    Da erinnere ich mich unscharf an einen umfassenden Artikel der brandeins, in der es weitere Informationen zu dem Fall gibt, bzw. der Fall sehr ausführlich geschildert wird. Insgesamt ist diese Sache aber nicht mein Thema, aber Interessierte können den Artikel hier nachlesen: http://www.brandeins.de/archiv/2013/verhandeln/die-kanalarbeiter.html

  • A
    Andreas

    So muss Journalismus sein. Gut recherchiert und die richtigen Fragen stellend. Lob an den Reporter!

  • H
    Hans

    Das Einkommen halte ich für eine "Kommunikationsberaterin", also Lobbyistin für angemessen, vielleicht sogar zu niedrig. Die Frage, warum ein Amt so etwas braucht ist berechtigt, vorallem, wenn es eine Presse-/Öffentlichkeitsarbeitsstelle hat.

     

    Die Vergabepraxis ist zwar ggf. nicht zulässig, aber gängige Praxis in allen Ämtern.

  • O
    Oliver

    Nur der Vollständigkeit halber: die Mehrwertsteuer zählt nicht zum Brutto-Einkommen, diese muss unmittelbar an das Finanzamt abgeführt werden. Damit bleiben als Einkommen immer noch etwa 8500 Euro monatlich brutto, was man der Aufgabe als angemessen ansehen kann oder auch nicht.

    • Sebastian Heiser , Autor des Artikels,
      @Oliver:

      Hier geht es allerdings nicht um das Gehalt eines Festangestellten, sondern um den Preis für eine Dienstleistung. Und dort gilt: "Ein Bruttopreis enthält bereits die Umsatzsteuer (brutto = netto + Steuern)", siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Brutto

  • K
    kanalwatch

    zur Kenntnisnahme

     

    https://www.freitag.de/autoren/a-guttzeit/landwehrkanal-ueber-ein-unnoetiges-verfahren

     

    Untersuchung eines vermeintlichen Vorzeigeprojekts

  • L
    Leser

    Sie veröffentlichen im Wochenrhythmus einen journalistischen Kracher nach dem anderen, mein Eindruck. Großartig!