: Verschwendete Stunden
Der Filmproduzent Dino de Laurentiis war mehr als leichtsinnig, als er dem Pleiten- und Superflop- Regisseur Michael Cimino abermals eine Chance gab. Zwar war er klug genug, Cimino an den Herstellungskosten zu beteiligen, aber Desperate Hours, ein Remake von William Wylers Bogart-Klassiker An einem Tag wie jeder andere, macht beide nicht glücklicher.
Der deutsche Verleih schickt uns mit dem reißerischen Titel 24 Stunden in seiner Gewalt erst einmal in die Irre. Wer bei Tageslicht in ein Einfamilienhaus eindringt, eine nichtsahnende Familie als Geiseln nimmt, und in der übernächsten Nacht vor der Villa von Polizeikugeln durchsiebt wird, war erstens länger drin, und zweitens ist für Ciminos Erzähltalent die Zeitspanne eh zu lange.
Was macht ein Kino-Desperado, dem außer ein paar Brutalitäten nichts einfällt? Er mischt viele schöne Landschaftsaufnahmen dazwischen. Das macht sich ganz malerisch, weil der Regisseur im Billig-Staat Utah drehen mußte, wo die Flüsse noch sauber sind und die Schluchten tief. Und sterben läßt es sich dort genausogut wie im heimischen Hollywood. Zumindest filmisch, im Kugelhagel der Polizei.
Erinnern Sie sich noch an das hinterhältige Stone-Face von Bogey in Wylers Verfilmung? An den schleppenden Gang und den schiefen Mund? Er terrorisierte seine Geisel-Familie nach allen Regeln der Film-Kunst, mal sinister drohend, mal offen gewalttätig. Wir wußten, was für ein unberechenbarer Kaputtnik er war, und warum er diesen Irrsinn veranstaltete, weil es uns mit Bildern erklärt wurde.
Herr Cimino hat das nicht nötig. Er hat Mickey Rourke. Wie eine dulle Marionette huscht der Star durch den Film, außer einigen Grimassen und Drohgebärden ist ihm nichts erlaubt. Da darf Anthony Hopkins als gebrochener Familienvater zwischen Scheidung und Pflichtbewußtsein schon mehr zeigen. Doch auch das hilft wenig. Mit einigen Handgreiflichkeiten, Brutalität, Wahnsinn und Fatalismus der Protagonisten soll die Geiselgeschichte spannend gemacht werden. Eine ober-coole Rechtsanwältin, eine sinnlose Verfolgungsjagd und eine super-harte Polizistin, machen das Maß voll. Als der nervige Geisel-Sohn noch brüllt: „Daddy, da draußen sind Polizisten mit Gewehren, wollen die uns totschießen?“, denkt man: Hoffentlich. Dann ist der Film zu Ende. Jürgen Francke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen