piwik no script img

Verschuldungs-RekordSchäuble plant nur bis zum nächsten Jahr

Die mit Abstand größte Neuverschuldung der bundesdeutschen Geschichte: der Regierung gelingt es offensichtlich nicht, ihre Zusagen und Ziele miteinander in Einklang zu bringen.

Einnahmeausfälle von zehn Milliarden Euro pro Jahr durch die Steuerreform. Bild: ap

BERLIN taz | Erst hofierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bundestagsabgeordneten, dann wies er sie in die Schranken. Erstmals hatte er nach der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch zunächst das Parlament über den Haushaltsentwurf 2010 informiert und nicht wie üblich die Journalisten. Doch bei der Gelegenheit wurde er gleich harsch: Gegen den Vorwurf der Opposition, sein erster Haushalt sei unsolide, setzte er sich scharf zur Wehr.

Die Genese und Zahlen des ersten Haushaltsentwurfs der schwarz-gelben Bundesregierung machten Schäuble diese Aufgabe nicht leicht. Bei Gesamtausgaben von 325 Milliarden Euro wird der Bund Schäubles Schätzungen zufolge nur rund 240 Milliarden aus Steuern und anderen Quellen einnehmen. Unter dem Strich bleibt die höchste Schuldenaufnahme, die ein deutscher Finanzminister jemals seit 1948 zu verantworten hat: gut 85 Milliarden Euro.

Mittels neuer Schulden will die schwarz-gelbe Regierung auch ihr Gesetz zur Beschleunigung des Wachstums finanzieren. Hier setzte die Opposition an. Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD, warf Schäuble vor, "zehn Milliarden Euro zu verspielen" und für die Begünstigung der eigenen Klientel zu nutzen.

Dieser Vorwurf wiegt schwer, denn der Regierung gelingt es offensichtlich nicht, ihre eigenen Zusagen und Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Das Geld, das sie in Steuersenkungen investiert, kann sie beispielsweise nicht für die europaweit vereinbarte Erhöhung der Entwicklungshilfe ausgeben. Die für arme Länder bereitgestellte Summe bleibt um zwei bis drei Milliarden unter den rund 13 Milliarden Euro, die bisher als Zusage für 2010 galten.

Noch schwieriger dürfte es in den kommenden Jahren werden. Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der Union, hat den Sparbedarf im Bundeshaushalt für 2011 mittlerweile auf 25 Milliarden Euro beziffert. Zustande kommt diese Summe durch die Anforderungen der Schuldenbremse und zusätzliche Einnahmeausfälle infolge einer weiteren geplanten Steuerreform.

Wie dieses Unterfangen, das Schäuble selbst als "Herkules-Aufgabe" bezeichnete, zu bewältigen sein könnte, ließ er offen. SPD, Grüne und Linke kritisierten massiv, dass der Finanzminister bisher keine Finanzplanung für die kommenden Jahre vorgelegt hat. "Ihrer Politik wohnt das Scheitern inne", sagte SPD-Politiker Schneider. Als Antwort beschied Schäuble: "Wir reden hier über den Haushalt für 2010, nicht für 2011."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

18 Kommentare

 / 
  • D
    dissenter

    @FK

    Eichel war Lafontaines Nachfolger, nicht sein Vorgänger. Er hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass strammes Sparen in der Wirtschaftskrise, wie es Schäuble offenbar ab 2011 vorhat, genauso zu gigantischen Haushaltslöchern führt wie wenn man das Geld besinnungslos aus dem Fenster wirft, wie Schäuble es für 2010 plant.

    Lafontaine hatte übrigens 1998/99 nicht Freibier für alle ausgeschenkt, sondern z.B. die steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne (oh! oh!) anzapfen wollen. Unter anderem deswegen musste er dann gehen. Aber lassen wir das, das Märchen vom bösen Oskar, der in den 90ern am liebsten das ganze Land ruiniert hätte und heute wider besseres Wissen den Rächer der Prekarisierten gibt, ist ja viel wohlfeiler!

  • H
    Hoffmann

    seit Jahren wird durch die Wirtschaft, die Politik und die Medien einträchtig und nahezu täglich massiv Front gegen Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose, Hartz IV - Empfänger (also 80 % der Bevölkerung) gemacht....

     

    Der angebliche Aufschwung (vor der "Krise") ist nur bei einigen wenigen, nämlich den "Eliten" und den Reichen angekommen. Der große Rest schnallt seit Jahren den Gürtel immer enger und hat trotzdem immer weniger in der Geldbörse.

     

    Der massive Arbeitsplatzabbau in Deutschland wird weitergehen. Vollzeitstellen werden (wenn überhaupt) durch Teilzeit- und Minijobs ersetzt und in Deutschland erwirtschaftete Gewinne im Ausland investiert.

     

    Der Binnenmarkt kommt immer weiter zum Erliegen, denn rund 30 Millionen Armutsrentner, Geringverdiener, Minijobber, Arbeitslose und Hartz IV - Empfänger können (außer Lebensmittel) nicht mehr konsumieren und fallen als Verbraucher völlig weg.

     

    Die Armutsspirale in Deutschland dreht sich immer schneller und Wirtschaft und Politik geben sich in den "öffentlich rechtlichen Meinungsbildungsanstalten" die Klinke in die Hand, um den ausgebeuteten, überwachten, ausgeforschten und entmündigten Bürgern den weiteren sozialen Abstieg als wirtschaftlich notwendigen Fortschritt zu verkaufen....

     

    Auf die Klimaerwärmung folgt die "neue Eisszeit"!!! Bis auf einige wenige Profiteure müssen wir uns alle ganz warm anziehen

  • V
    vic

    Zu Merkels Kompetenz muss ich mich vermutlich nicht schon wieder äußern. Aber es zeigt sich auch bei Schäuble. Wo man ihn auch hinschiebt, er ist zu nichts zu gebrauchen.

    Nach oben kuschen und nach unten treten. Das ist, in kurzen Worten, das Programm dieser Regierung.

  • FK
    F K

    Die jetzige Regierung führt eine Tendenz vor Augen, die ich smtl. Politikern/Parteien unterstellen möchte: Derpolitische Weitblick reicht seit Jahren schon nur bis zur nächsten Wahl. Politik wird nicht mehr für das Volk und Land gemacht. Und zwar von allen Parteien.

     

    Die 8 Schröderjahre waren auch nicht besser. Wenn gute Ideen auf den Tisch kamen wurde aufgrund bestimmter Parteianteile gekuscht.. siehe die Haushaltsreformen von Hrn. Eichel am Anfang der Regierung --> Ich glaubte damals wirklich, daß der Haushalt ausgeglichen werden könnte, bis Lafontaine auf den Plan trat.

     

    Ob Medien- oder Kuschelkanzler: Im Moment läuft in der Politik nichts sinnvolles und das Land trägt den Schaden davon.

  • U
    Uhlenbrock

    Ich kann nur hoffen, das dieser Verschuldungsrekord vor dem Verfassungsgericht landet, den schon im Amtseid heißt es: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Solange Steuerverschwendungen in diesem Land an der Tagesordnung gehören, ist ein solcher Haushalt im Sinne der Bürger und der nächsten Generationen mehr als Verfassungswidrig! Es gäbe genügend Einsparpotenziale ohne das dem Bürger irgendetwas weggenommen würde, wenn man nur mal über Sinn und Unsinn mancher Maßnahmen nachdenken würde und weniger Klientelpolitik mit Einfluss der Lobbyisten zulassen würde!

  • MR
    Melina R.

    Da frage ich mich doch, ob man DUMM sein muss, um Politiker zu werden...Zum Glück nicht. Wenn man sich aber so manche anguckt, könnte man das glauben.

    DUMM ist es, die Steuern senken zu wollen wenn man verschuldet ist und große Mühe mit Einsparungen hat. DUMM ist es auch, für Sparmaßnahmen bei den Sozialleistungen anzufangen!

    Aber der erste Blick täuscht:

    Diese ganze hirnrissige Idee kam doch nur zustande, um Wählersstimmen zu ergattern, nicht weil die Herren der FDP es nicht besser wissen. Abgesehen davon bringen Steuereinsparungen nur Unternehmen und Reichen etwas, nicht aber dem kleinbürgerlichen Wähler, der sich locken ließ. Und wären scheinbar nicht halb so viele solcher Wähler so DUMM, alles Schöngeredete zu glauben ohne es zu hinterfragen, dann hätten wir jetzt mit Sicherheit auch keine schwarz-gelbe Regierung. Da fällt mir wirklich nur noch ein Satz an:

    Jedes Land bekommt, was es verdient!

  • WH
    Wer hat die gewählt?

    Ich möchte gerne mal wissen warum ich von soviel Volldeppen umgeben bin, die diese Tzpen gewählt haben. Aus diesen Gründen wird die Demokratie früher oder später untergehen, weil es einfach zu viele Deppen gibt.

     

    Übrigens wurde die ganze Geschichte von anfang an, leider erst nach den Wahlen, von Georg Schramm in "Aus der Anstalt" mit Grafik genau so analysiert. Die machen jetzt einen Haufen Schulden, damit sie dann einfacher sparen können.

     

    Dieses Land widert mich an. Leider gibt es kein einziges Land wo es nicht so wäre. Wohin soll man gehen?

  • D
    dissenter

    Ja, dolles Ding, was?! 2010 schreiten die Besserverdiener zur ultimativen Plünderung der Staatskasse - ich sach nur Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels -, 2011 müssen dann leiderleider "auch soziale Leistungen auf den Prüfstand", was im neoliberalen Neusprech soviel heißt wie "wird gekürzt was nicht niet- und nagelfest ist". Das mit der Mehrwertsteuererhöhung ist auch eine gute Idee, schließlich sollte das Steuersystem ja einfacher, niedriger und gerechter werden, oder so ähnlich. Aber nur nicht die Contenance verlieren, ihr Waschlappen - unter der weisen Führung der Kuschelkanzlerin und ihrer Leistungsträger werden wir auch diesen Gürtel enger geschnallt bekommen, Hauptsache, die Banken sind gerettet, die Erben entlastet und Leistung lohnt sich wieder! Chapeau!

  • P
    Pat

    Let´s do it like the Argentines :-). Insolvenz anmelden und "gut" ist. Die Glaubwürdigkeit der BRD als Schuldner ist mir egal. Und warum soll ich meinen Kopf hinhalten für anderer Leute Ausgaben bzw. Schulden. Bestimmt nicht! Good night Germany.

  • V
    veritate

    Vorschlag: Raus aus Afghanistan. Das Geld könnte man hier sinnvoll benutzten und braucht keine Schulden machen, aber die Rüstungsindustrie wird aufrechterhalten Das schafft zwar auch Arbeitsplätze, die sind aber verwerflich. Man könnte diese Jobs in Jobs für die Umweltindustrie umfunktionieren und hätte damit ökologisch sinnvoll und zugleich menschlicher investiert.Es ist wie immer eine Frage der Umverteilung. Unsere Kinder können das nicht mehr bezahlen.

  • B
    Benj

    wieso kann man als Normalbürger ohne Vermögen nicht auch einfach fiktives Geld ausgeben, ohne je dafür büßen zu müssen?

    Und warum bitte werden die Wirtschaft und die Banken vom Staat gefördert. Finanzkrise aabwenden? Mit Geld das es nicht gibt??? hALLO?

    FUCK THE SYSTEM

  • A
    abwarten

    ab 2011 werden sie dann die mwst erhöhen, mit der begründung "unausweichlich".

    7% auf teer und federn!!!!

  • B
    Boiteltoifel

    Nach dem Schreck über den Etat würde ich mir an Stelle der Politiker erstmal die Diäten erhöhen...

  • S
    Sonja

    Mensch, was ein Blödsinn?!!??!!

     

    Wie bescheuert muss man eigentlich sein, um in dieser Regierung zu sitzen?

     

    Da sagen die Eine und der Andere: Wirtschaftswachstum allein bringts, und das kommt von Steuererleichterungen für die Reichen und Superreichen dann ganz von alleine. Und bringt auch schön viel Arbeit, jawoll!!

     

    Aber der Dritte kommt und sagt: Nee, nee, so gehts nun auch wieder nicht! Wir müssen auch sparen, sparen, sparen! Und wo? Natürlich da, wo's sowieso nicht ist!!! Bei denen, die eh nix haben! Was wollen die denn?? Den Menschen in der Dritten Welt gehts noch viel, viel Schlechter und die leben auch und sind froh, wenn ihre Kinder überhaupt in die Schule gehen können!

     

    Uns gehts doch allen so gut in Deutschland, viel zu gut! Das muss jetzt einfach mal alles kaputt, damit die Leute wieder wissen, wo unten und oben ist, jawoll!!!

  • P
    Partmann

    Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir ein Stück weiter.

  • J
    Jan

    Wer einen Haushalt aufstellen muss, bei dem schon jeder 5. oder 6. Euro allein für Zinszahlungen draufgehen, der hat es nicht leicht.

    Vielleicht wäre es an der Zeit mal einen Kassensturz zu machen - jeder, der in diesem Land dauerhaft wohnt muss seiner Wirtschaftskraft entsprechend seinen Beitrag zur Tilgung der Schulden von Bund, Ländern und Kommunen leisten. Aus der finanziellen Freiheit könnte der Bund dann Investitionsprogramme auflegen, z.B. in regenerative Energien, Bildung und andere Dinge, die beim derzeitigen Wirtschaftsgebahren der "Entscheidungsträger" unter den Tisch gefallen sind.

  • H
    hto

    "Kabinett beschließt Horror-Etat" - nein, das Polittheater für das Tititainment im "gesunden" Konkurrenzdenken, versorgt den "gesunden" Menschenverstand mit gewohntem Kommunikationsmüll, im Sinne gebildeten Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Sündenbocksuche von und zu "Wer soll das bezahlen?"!?

  • JK
    Juergen K

    Hartz4 Empfänger können dann ja mit den subventionierte 19 Euro Fliegern in die Mehrwertsteuerbefreiten Nobelhotels fliegen.

     

    Aber wenn jetzt schon feststeht, dass allen Massnahmen nicht zum Aufschwung der Aufschwünge führt .....