: Verschuldete Bauern
■ Ergebnisse der Fachtagung »Agrarpolitik in Brandenburg«
Potsdam. Ohne Streichung der Altschulden hat die brandenburgische Landwirtschaft kaum eine Überlebenschance. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich eine Fachtagung »Agrarpolitik in Brandenburg« der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Der Leiter der Zentralen Abteilung im Potsdamer Landwirtschaftsministerium, Friedrich-Karl Grütte, bezifferte allein das Volumen von Entschuldungsanträgen, die 200 von 425 Agrargenossenschaften im früheren Bezirk Potsdam gestellt hätten, auf 915 Millionen Mark. 77 Genossenschaften seien Entschuldungen über jeweils eine Million Mark bewilligt worden.
Hintergrund des Problems: Bei der Entflechtung und Privatisierung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) müssen die Nachfolgeunternehmen nach geltendem Recht die Altschulden übernehmen. Einzelbauern, die sich selbständig machen wollen, erhalten zumindest ihren früheren Boden und zumeist marode Gebäude zurück, nicht aber — wenn die LPG- Altschulden nicht gedeckt sind — das einstmals eingebrachte Vermögen.
Wie Friedrich-Karl Grütter als Leiter der Zentralen Abteilung im Potsdamer Landwirtschaftsministerium erläuterte, gehen die Schulden überwiegend auf Investitionskredite zurück, die den LPG zu SED-Zeiten zur Produktionsintensivierung aufgezwungen worden seien. Nach seinen Worten schlug etwa im früheren Bezirk Potsdam die seinerzeit politisch verordnete Energieträgerumstellung von Öl auf Braunkohle mit rund 120 Millionen Schulden zu Buche. Im havelländischen Obstbaugebiet seien für Beregnungsanlagen rund 200 Millionen Mark zu tilgen. Kartoffellagerhäuser, Schweinezucht- und Milchviehanlagen hätten einen Schuldenberg von 340 Millionen Mark hinterlassen.
Außer der Schuldenfrage beschäftigte die Tagungsgäste vor allem, inwieweit auf den sandigen Böden Brandenburgs überhaupt eine rentable Landwirtschaft betrieben werden kann. Laut Statistik weisen die Felder zwischen Elbe, Havel und Oder im Durchschnitt eine Ackerzahl von 31 auf. Der Höchstwert dieser Bodenfruchtbarkeitsmarke wird in der Magdeburger Börde mit 100 gemessen. In Brandenburg erreichen den Angaben zufolge 28,2 Prozent der Böden eine Ackerzahl über 30. Bei 45 Prozent beträgt sie zwischen 25 und 30. Über 20 Prozent liegen unter der Punktzahl 25.
Die geringen Bodenwerte schlagen sich trotz intensivster Düngung auch in den Ernteerträgen nieder. Nach Angaben Grütters werden im Land Brandenburg auf dem Hektar Ackerfläche durchschnittlich 34,6Doppelzentner Getreide geerntet, in den Altbundesländern 57,3 Doppelzentner. An Kartoffeln erziele die brandenburgische Landwirtschaft mit 182,5 Doppelzentnern pro Hektar nicht einmal die Hälfte des durchschnittlichen Ertrages in Westdeutschland (371 Doppelzentner). dpa
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