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Verschossene OperDer Wille zum Holzschnitt

Markus Poschner und den Philharmonikern gelingt ein fast magischer „Freischütz“: Regisseur Sebastian Baumgarten macht mit seiner Inszenierung hingegen allen Feinsinn platt und ungesungen

Max hat nichts getroffen - genau wie die Inszenierung auch. Bild: Landsberg/Theater Bremen

Zum Freischütz kann man viele Gedanken haben, und nicht zwangsläufig nur schlaue: Das beweist Sebastian Baumgarten mit seiner Bremer Inszenierung der Oper Carl Maria von Webers, die Samstag Premiere hatte. Das Werk, bei dem Förster- und Heirats-Aspirant Max sich zum teuflischen Freikugeln-Gießen durch seinen abgewiesenen Wettbewerber Kaspar verführen lässt, galt schon ab den 1830er-Jahren als die deutsche Oper schlechthin. Auf diesen Gemeinplatz setzen Baumgarten und Operndramaturg Ingo Gerlach.

Reichlich assoziativ allerdings. Sie gehen von einer Bemerkung des belanglosen, aber zutiefst nationalistischen Komponierers Hans Pfitzner aus, und von der Biene Maja des Lebensraum-im-Osten-Vordenkers Waldemar Bonsels. Zudem stützen sie sich auf die Tatsache, dass am 5. März 1919 der Herero-Schlächter Paul von Lettow-Vorbeck in Berlin mit einer Sondervorstellung des Freischützes begrüßt wurde. Er sei dabei eingeschlafen, schreibt der Kriegsverbrecher in seinen Memoiren.

Immerhin: Die Savannenbilder in Schwarz-Weiß, die während der Ouvertüre auf die Szene gebeamt werden, spielen schön mit den Erwartungen von Jäger-, Wald- und Auenglück der deutschen Hochromantik. Leider lärmt schon da der Projektor so stark, dass die pianissimo-Passagen der Ouvertüre untergehen. Es sind viele.

Und szenisch erweist es sich als unglücklicher Plan, diesen Einfall mit der Fantasie-Vergangenheit „kurz nach dem 30-Jährigen Krieg“ zu einer „hybriden Welt“ zu mixen. Denn so gelingt nur eine merkwürdig zusammengestoppelte Aufführung. Sie holpert in entscheidenden Augenblicken – zwischen seinem Verführer Kaspar und dem naiven Max tut sich gestisch exakt nichts, als der hochdramatisch zögert, in die Wolfsschlucht zu steigen. Sie wirkt schlampig in den Details – offenbar hatte keiner Lust, das viel genutzte chorische Sprechen einzustudieren. Und fragwürdig ist ihre Aussage.

Denn entweder versteht man sie selbst als neokolonialistisch – schließlich reproduziert sie vom Vodoo bis zum Blackfacing alles an Schwarzen-Klischees, was es so gibt. Oder aber: Man hat die tumb-teutonischen Lesart à la Pfitzner als wahr gesetzt. Und verurteilt nun das Werk dafür. Das ist wahrscheinlicher, denn wie Gerlach in seinem von schlichten Unwahrheiten und Verdrehungen strotzenden Programmheftbeitrag erklärt, ging es darum, alles platt zu machen.

Oder, wörtlich: „eine Spielweise“ zu finden, „die das Holzschnittartige des Puppentheaters aufgreift“, das wiederum dem Freischütz unterstellt wird. Nein, Operndramaturgen und -regisseure müssen nicht wissen, dass Weber sich eher für Lithografien interessierte. Sie sollten aber hören, dass die Musik, dass die seinerzeit unerhörte Vielfarbigkeit des Orchesterklangs, den der Komponist sich ausdenkt, aber auch die irritierenden Zitate – intoniert der Jägerchor aus Nationalismus eine Variation eines napoleonischen Kriegsliedes? – im Gegensatz zum Schwarz-Weiß-Plan steht. Das Orchester hätte es ihnen leicht gemacht: Denn Markus Poschner und den Philharmonikern gelingt ein fast magischer Freischütz.

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