piwik no script img

■ Ermittlungsverfahren PflugradtVerschleppt?

Die Grünen haben den CDU-Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach gestern aufgefordert, seine Ämter ruhen zu lassen. Die Fraktion hat den Justizsenator aufgefordert, das Ermittlungsverfahren zu überprüfen. „Es muß dringend geklärt werden, ob Herr von Bock korrekt ermittelt hat oder aus politisch motivierten Gründen das Verfahren bewußt verzögert bzw. behindert hat“, begründete Fraktionssprecherin Helga Trüpel die Forderung.

Wegen seiner Ermittlungsmethoden im Fall Helmut Pflugradt war von Bock ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Gegen den stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden wird wegen sexueller Nötigung ermittelt. Er steht unter Verdacht, den 22jährigen Belgier André W. am 29. November des vergangenen Jahres in seinem Haus vergewaltigt zu haben (taz berichtete). Am 25. Januar landete die Akte auf dem Schreibtisch des ehemaligen Oberstaatsanwalts von Bock – doch nichts geschah.

Obwohl André W. präzise Angaben zum Tatort gemacht hatte, veranlaßte von Bock keinen Durchsuchungsbefehl. Warum dies nicht geschehen ist, wollen die Grünen jetzt wissen. Darüber hinaus gibt es in dem Ermittlungsverfahren noch andere Ungereimtheiten: Pflugradts Name stand als möglicher Tatverdächtiger schon seit dem 2. Dezember in der Akte. Von Bock schrieb einen Vermerk in die Akte. Aufgrund der Beschreibung des mutmaßlichen Opfers, käme Helmut Pflugradt nicht als Täter in Frage. Mittlerweile hat Pflugradt jedoch selbst eingeräumt, daß André w. in seinem Haus war. Die intimen Handlungen seien allerdings freiwillig geschehen. Warum von Bock schon damals so sicher war, daß Pflugradt nicht der Täter sei, ist im Nachhinein schwer nachzuvollziehen. Insbesondere weil einige Merkmale, die André W. in seiner Beschreibung abgegeben hat, auf Pflugradt zutreffen: Er ist groß, etwas dicker, dunkelhaarig und Brillenträger. Er fährt einen schwarzen BMW und ist 46 Jahre alt. André W. beschrieb einen 1,90 Meter großen Mann mit Brille und schwarzen Haaren, 40 bis 50 Jahre alt, gepflegte Erscheinung mit goldener Uhr und diversen Ringen am Finger. Der Täter soll dicker gewesen sein. André W. gab zu Protokoll, er sei in einen schwarzen BMW gestiegen. Der Mann soll im Nacken etwas längere, gelockte Haare gehabt haben – die einzigen Angaben, die nicht auf Pflugradt zutreffen.

Die Grünen werfen dem ehemaligen Oberstaatsanwalt außerdem vor, daß er „nicht rechtzeitig“ eine Gegenüberstellung organisiert hat. Aufgrund der Tatsache, daß Pflugradt's Name bereits seit dem 2.12 in der Akte stand, hätten André W. zumindest Lichtbilder vorgelegt werden können. Auch warum von Bock die Schwester von André W. nicht als Zeugin vernommen hat, verstehen die Grünen nicht.

Er habe die Ermittlungen nicht verschleppt, hatte von Bock stets beteuert. André W. konnte wegen des Klinik-Aufenthaltes nicht geladen werden. Daß er mit den Ärzten jedoch nicht einmal versucht hat, die Vernehmungsfähigkeit zu klären, machen die Grünen von Bock ebenfalls zum Vorwurf. Von Bock äußert sich zu den Vorwürfen nur teilweise: Er bleibt dabei, daß damals kein Anfangsverdacht gegen Pflugradt bestanden habe. Um sein dienstliches Vorgehen jedoch weiter zu begründen, müsse er auf den Akteninhalt eingehen. Dazu habe er im Moment noch nicht die Genehmigung.

kes / Foto von Bock: Archiv

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen