Verschiedene Arten von Elternpflege: Bei Mami nach dem Rechten schauen
Arrangements mit den gebrechlichen Eltern sind eine Frage von Geld, Zeit und Wohnort der erwachsenen Kinder. Eine Typologie.
BERLIN taz | Auch wenn man demnächst eine zehntägige bezahlte Auszeit bekommt, um einen pflegebedürftigen Elternteil zu versorgen, lautet die eigentliche Frage für erwachsene Kinder gebrechlicher Eltern: Wie geht es weiter? Hier eine kleine Typologie mit Vor- und Nachteilen.
Pflege der alten Eltern zu Hause mit Zusammenleben oder Einzug eines erwachsenen Kindes: Das finanziell preiswerteste Modell, traditionell, aber im Schwinden begriffen, geht auf Kosten der Töchter. Nur 45 Prozent der Kinder, die ihre Eltern hauptverantwortlich pflegen, wohnen mit ihnen im gleichen Haushalt. Da immer mehr Frauen erwerbstätig sind, geht die „intergenerative Pflege“ zurück, konstatierte unlängst der Barmer Pflegereport 2014.
Pflege der Eltern zu Hause durch häufigen Besuch der Kinder, eventuell plus Sozialstation: Funktioniert noch gut, wenn Mama oder Papa tagsüber noch alleine zur Toilette gehen können. Die häufigen Besuche bleiben meist an dem Kind hängen, das in der Nähe wohnt und vielleicht nur Teilzeit arbeitet. Das kann Streit unter Geschwistern schaffen. Außerdem gibt es den Genderaspekt: Brüder erwarten, dass die Schwestern mehr Pflegearbeit übernehmen. Immer noch sind bei Pflegeeinsätzen, die zumindest eine Stunde am Tag erfordern, nur ein Drittel der Betreuenden Männer, sagt eine Statistik des Sozioökonomischen Panels (SOEP). Falls die ganze Pflege zu Hause von einer Sozialstation geleistet wird, ist neben dem Geld aus der Pflegeversicherung ein erheblicher Eigenanteil fällig. Bei geringen Mitteln zahlt dies das Sozialamt.
Pflege im Heim, mit Besuch der Kinder: Ist oft bei Pflegestufe II nötig, wenn die Eltern dauernde Hilfe beim Toilettengang und beim Essen brauchen oder verwirrt sind. Erfordert eine hohe finanzielle Eigenbeteiligung von bis zu 2.000 Euro im Monat. Das ist Geld, das das Vermögen des oder der Pflegebedürftigen schmälert und dann eventuell vom späteren Erbe abgeht. Auch deswegen pflegen manche erwachsenen Kinder ihre Eltern lieber selbst zu Hause, als ein teures Heim zu bezahlen. Ist kein Vermögen vorhanden, zahlt das Sozialamt die Eigenbeteiligung beim Heimaufenthalt, fordert dann aber von den Kindern einen Teil des Geldes zurück, wenn diese über einen bestimmten Freibetrag Geld verdienen. Auch wenn ein Elternteil im Heim lebt, sollten die Kinder öfter zu Besuch kommen, denn das Personal in den Heimen reicht nicht aus, um etwa Spazierfahrten zu machen.
Pflege der Eltern in einer Alten-Wohngemeinschaft: Klingt besser als Heim, oft handelt es sich hier aber eher um eine Art Kleinstheim mit unter Umständen etwas besserer personeller Ausstattung. Erfordert meist eine etwas höhere finanzielle Eigenbeteiligung, die aber im Bedarfsfall auch vom örtlichen Sozialamt übernommen werden kann. Beim Aufenthalt in einer Pflege-WG müssen sich die Kinder mit kümmern und auf die Standards achten. Eine Demenz-WG mit sieben Bewohnern etwa, wo immer nur eine Pflegeperson pro Schicht anwesend ist und die damit unterbesetzt ist, sollte man den betagten Eltern nicht zumuten.
Pflege der alten Eltern zu Hause, mit osteuropäischer Pflegekraft: Das ist das teuerste Modell, weil immer jemand mit in der Wohnung ist. Wenn man die Pflegerin über eine Zeitarbeitsagentur etwa in Polen bucht, muss man zwischen 2.000 und 2.400 Euro zahlen, abzüglich des Pflegegeldes sind also auch 2.000 Euro an Eigenleistung fällig plus Kost und Logis für die Betreuerin. Sie braucht ein eigenes Zimmer in der Wohnung und sollte mindestens einen Tag pro Woche und auch am Tag einige Stunden frei haben, so eine Art Standard der Zeitarbeitsfirmen, der zwar nicht dem deutschen Arbeitszeitgesetz entspricht, aber informell erwartet wird.
Auch bei diesem Modell müssen die Kinder mitmachen oder noch eine zusätzliche Minijobberin einstellen zur Entlastung. Und: Die Pflegekassen zahlen für dieses Modell nur das Pflegegeld, also 440 Euro für Pflegestufe II. Auch das Sozialamt übernimmt diese Kosten nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf