■ Kommentar: Versäumnisse
Es fehlt etwas im Rücktritts-Tohuwabohu, im plötzlichen Aktionismus der Polizeiführung, in den markigen Sätzen der Politiker aller Couleur, bei der fieberhaften Suche nach einem Nachfolger, in den Respektsbekundungen für den Ex-Innensenator, in Hackmanns Rücktrittserklärung. Es fehlt: eine Entschuldigung.
Eine Entschuldigung bei den Opfern der polizeilichen Gewalt, bei denjenigen, die in den vergangenen Jahren und Monaten nicht nur beleidigt und verprügelt wurden. Sondern die hinterher auch vergeblich gegen die amtliche Mauer des Schweigens, der Verharmlosung, der Beschönigung angerannt sind. Denen nicht geglaubt wurde, daß sie in Revierwachen mißhandelt worden sind.
Denen – nicht nur klammheimlich – unterstellt wurde, daß sie selbst schuld sind, sich mit der Staatsgewalt anzulegen und, na klar doch, bestimmt selbst Dreck am Stecken haben. Die Unschuldsvermutung, sie galt für die Polizisten, bei den Opfern war man weniger zimperlich.
Wer auch immer in den kommenden Tagen die Hackmann-Nachfolge antritt, er oder (eher unwahrscheinlich) sie täte gut daran, wenn dies die erste Amtshandlung wäre: Versäumtes nachzuholen, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Nur Mut, es dürfte – neben der gebotenen Suspendierung von Staatsrat Reimers – die leichteste Aufgabe sein. Was folgt, ist Sisyphus.
Uniformierte Gewaltbereitschaft, Rassismus, augenzwinkernde Kumpanei, Corpsgeist sind gesellschaftliche Phänomene, die sich im Polizeiapparat nicht nur spiegeln, sondern durch dessen hierarchische Strukturen, durch dessen latenten Para-Militarismus verstärkt werden. Sie ein wenig zu bändigen, könnte Hackmanns Nachfolger gelingen. Mehr nicht. Und auch nur dann, wenn er gut ist, wenn er nicht – wie in Hamburg in solchen Fällen üblich – nach Parteiarithmetik ausgesucht wird, sondern nach Qualifikation. Uli Exner
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