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Vernünftiges Volk

■ Nach zwei Jahren Bürgerbegehren sieht sich Verein „Mehr Demokratie“ bestätigt

Das Schreckensszenario ist nicht eingetreten. 21 Bürgerbegehren in zwei Jahren haben nach einem Fazit des Vereins „Mehr Demokratie“ gezeigt, dass Minderheiten unter diesem neuen Instrument der Bür-gerbeteilung nicht zu leiden hatten und dass Hamburg keineswegs unregierbar geworden ist. Dagegen würden die HamburgerInnen von ihrer Verwaltung ernster genommen als früher. Versuchen, die Bürgerbegehren einzuschränken, sagte der Verein den Kampf an.

„Kein Bürgerbegehren wurde erfolgreich gegen Minderheiten angewandt“, bilanzierte Vorstandsmitglied Michael Efler. Das Bürgerbegehren gegen einen Bauwagenplatz in Nord wurde für unzulässig erklärt. Drei Versuche, Fixerstuben zu verhindern, sowie zwei Begehren gegen Wohnungen für straffällig gewordene Jugendliche scheiterten an einer ungenügenden Zahl von Unterschriften.

Lediglich das Bürgerbegehren für mehr Mitsprache bei der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes in Bergedorf führte zu einem Bürgerentscheid, bei dem die Initiatoren siegten. In sechs weiteren Fällen schlossen die Bezirksversammlungen Kompromisse mit den Initiativen oder übernahmen deren Vorschläge. Dadurch wurden der Park & Ride-Platz in Volksdorf erhalten, das Vereinshaus des Wandsbeker SV erweitert und die Bebauung eines Schulhofes in Barmbek Süd verhindert. Außerdem bleiben die beiden Polizeiwachen 45 und 46 in Harburg getrennt. Per Kompromiss mit der Bezirksversammlung wurde die Fassade einer Jugendstilvilla in Harburg erhalten, ebenso die Försterei in Volksdorf.

Insgesamt acht Bürgerbegehren scheiterten mangels Beteiligung – „und das, obwohl wir die gerings-ten Unterschriftenzahlen haben in ganz Deutschland“, sagte Efler. Drei Begehren wurden zurückgezogen, zwei laufen noch. Lediglich einen Fall – die Bebauung des Holzhafens – zog der Senat an sich. „Ich hätte gedacht, dass er öfter mal mit der Faust auf den Tisch haut“, wunderte sich Efler.

Die Bürgerbegehren haben seiner Beobachtung nach dazu geführt, dass die Verwaltung die Menschen viel früher in ihre Planungen einbezieht. „Mehr Demokratie“ sei deshalb überzeugt, „dass es in Zukunft weniger Bürgerbegehren geben werde“, sagte Eflers Kollegin Angelika Gardiner. Gernot Knödler

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