Vermittlungsreise des Ex-US-Präsidenten: Nordkorea schlachtet Clinton-Trip aus
Nordkorea stellt es als Erfolg dar, Ex-US-Präsident Bill Clinton als Bittsteller zu empfangen. Die Reise Clintons gibt Beobachtern viele Rätsel auf.
Ein Bild geht um die Welt, das noch vor kurzer Zeit unmöglich schien: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il sitzt neben dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton im Staatsgästehaus von Pjöngjang. Beide schauen ernst. Im Hintergrund: ein Gemälde mit tosenden Wogen.
Die nordkoreanische Bevölkerung erfährt aus ihren Medien, dass der Gast aus Amerika eine wichtige Botschaft von US-Präsident Barack Obama übermittelte. Außerdem habe Clinton sich für das Verhalten der US-Journalistinnen Euna Lee und Laura Ling entschuldigt, die Kim nach ihrer Verurteilung im Juli jetzt großmütig begnadigte. Die beiden waren zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt worden, nachdem sie bei Recherchen über das Schicksal nordkoreanischer Flüchtlinge an der chinesisch-koreanischen Grenze festgenommen worden waren. Am frühen Mittwochmorgen verlässt Clinton mit den beiden Frauen Pjöngjang und fliegt in Richtung Los Angeles.
In Pjöngjang wird es als Erfolg dargestellt, einen leibhaftigen amerikanischen Expräsidenten als Bittsteller empfangen zu können. Ein großer Erfolg, so scheint es, auch für Bill Clinton, dessen Mission keineswegs so "privat" war, wie Washington es glauben machen wollte. Ein Expräsident und Ehemann der Außenministerin ist immer auch ein Vertreter seines Staates.
Aber kann die Clinton-Reise eine neue Ära der Entspannung einleiten? Ist ein Ende des bösen Spiels in Sicht, mit dem Kim und seine Generäle jahrelang mit immer neuen Manövern, Drohungen, mit Atom- und Raketentests die Nachbarn in Angst und Schrecken versetzten, um Wirtschaftshilfen zu erpressen?
Bislang ist nicht bekannt, was Clinton seinem Gastgeber als Gegenleistung überbracht hat. Die Wunschliste dürfte lang sein. Kim braucht Lebensmittel und Öl ebenso sehr wie die Möglichkeit, Gelder über ausländische Banken transferieren zu können.
Die Washingtoner Regierung beeilte sich sofort nach dem Abflug der Clinton-Maschine, die Erwartungen an den Besuch zu dämpfen - und die nordkoreanische Darstellung zu korrigieren: Präsident Obama habe Kim keineswegs irgendwelche Botschaften überbringen lassen, und Clinton habe sich nicht entschuldigt, hieß es. Kritiker in Washington warfen dem Emissär vor, er habe den nordkoreanischen Diktator mit seinem Besuch für seine Untaten auch noch "belohnt".
Das ist heikel angesichts der blockierten internationalen Verhandlungen über Nordkoreas atomare Aufrüstung. Die Regierung in Pjöngjang hat kürzlich erklärt, dass sie über ihre Atompolitik nur direkt mit den USA sprechen will, die Pekinger Sechsergespräche hält sie für sinnlos. Das Ziel Kims scheint klar zu sein: Er will Sicherheitsgarantien, diplomatische Anerkennung, Wirtschaftshilfen - ohne politische Öffnung. In den vergangenen Monaten gab es in Pjöngjang Versuche, zum alten System der absoluten Planwirtschaft zurückzukehren. Die Stellung der Elite um den Kim-Clan, führende Militärs und Funktionäre, die inmitten der Armut ihrer Untertanen ein luxuriöses Leben führen, darf nicht gefährdet werden.
US-Präsident Obama will nicht in die Falle der Nordkoreaner tappen, Zugeständnisse zu machen und nichts dafür zu erhalten. Washington besteht auf Vorleistungen Pjöngjangs. Es will die Nachbarn Nordkoreas - vor allem Südkorea, Japan und China - in die Verhandlungen einbinden. Pjöngjang soll außerdem nicht nur seine Reaktoren, Zentrifugen und Atombomben einmotten, sondern auch daran gehindert werden, Nukleartechnik im Ausland zu verscherbeln.
China hingegen ist daran interessiert, die nordkoreanische Diktatur zu erhalten, wenn auch etwas weniger grausam, flexibler, wirtschaftsliberaler. Südkorea und die USA hoffen demgegenüber auf einen möglichst glimpflichen Zusammenbruch im Norden. Ein wiedervereinigtes Korea würde sich - wie Japan und Taiwan - unter den militärischen Schutzschirm der USA stellen und so den Einfluss der künftigen Großmacht China in Ostasien in Grenzen halten.
Das wiederum ist für Peking ein Albtraum. Deshalb weigert es sich, mit den USA über nordkoreanische Zukunftsszenarien zu reden, etwa über den Fall eines Bürgerkrieges nach dem Zusammenbruch der Kim-Dynastie. Dies wäre ein Vertrauensbruch gegenüber dem Regenten in Pjöngjang, argumentieren Chinas Diplomaten und Militärs. Für das Kim-Regime ist dies die beste Ermunterung, weiterzumachen wie bisher.
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