piwik no script img

Verlust der TopratingsParis und Wien in Erklärungsnot

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Frankreich und Österreich von "AAA" auf "AA+" abgewertet. In beiden Ländern freut sich die Opposition.

"S rkozy" - so titelte die französische Tageszeitung Libération nach der Abwertung. Bild: reuters

PARIS/WIEN taz | Nach dem Verlust des Bestratings AAA der US-Ratingagentur Standard & Poors für ihre Kreditwürdigkeit gab sich die Regierung in Frankreich demonstrativ gelassen, die in Österreich ging auf Abwehr.

Der französische Premierminister François Fillon erklärte, er rechne mit keinen direkten wirtschaftlichen Folgen. Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der demnächst wiedergewählt werden will, sah sich von der Opposition mit seiner eigenen Erklärung vom Dezember konfrontiert, wenn Frankreich das Triple-A verliere, dann "bin ich erledigt".

Tatsächlich kann es für Frankreich noch schlimmer kommen. S&P hat seine Wertung mit der Anmerkung "Perspektive negativ" versehen. Premier Fillon verwies jedoch auf die USA, die ihre Topbonität bei S&P im Sommer verloren hätten, aber weiter günstig Geld aufnehmen könnten. Allerdings verfügen die USA mit dem Dollar über ein eigenes Währungsinstrument und sind nicht an eine kriselnde Gemeinschaft gebunden.

Unterstützt wird Fillon von Philippe Waechter, Direktor für Wirtschaftsforschung bei der Bank Natixis, der sagt, die Herabstufung sei "mehr ein Frage der [verletzten] Ehre, wird aber auf den Alltag wenig Auswirkungen haben".

Frankreich muss zur Finanzierung seiner 1,6 Billionen Euro Schulden 2012 180 Milliarden neu aufnehmen. Ein zusätzlicher Prozentpunkt bei den Zinsen würde den Schuldendienst um rund 2 Milliarden Euro verteuern - und womöglich einen Vertrauensverlust bei den Banken bedeuten, die Paris bisher als exzellenten Schuldner schätzten.

Österreichs teure Nachbarn

Die Herabstufung von Österreich begründete S&P mit dessen wirtschaftlicher Verflechtung mit den krisengeschüttelten Nachbarn Ungarn und Italien. Vor allem die Banken, die mit Investitionen von 40 Milliarden Euro in Ungarn Marktführer sind, fürchten Verluste.

Aber auch die Exporte dürften angesichts der schwindenden Kaufkraft der Magyaren leiden. Allerdings hatten die Ratingagenturen Moodys und Fitch erst Ende 2011 ihr Toprating für Österreich bestätigt, obwohl die Krisen in Italien und Ungarn auch da schon virulent waren.

Finanzministerin Maria Fekter nahm die Herabstufung zum Anlass, neuerlich für eine Schuldenbremse in der Verfassung zu werben. Für dieses Vorhaben, das die Agenturen besänftigen soll, braucht die Koalition eine Verfassungsmehrheit und damit die Stimmen zumindest einer dritten Partei.

Im Herbst hatten sich zwar die Grünen sowie die beiden rechtspopulistischen Parteien FPÖ und BZÖ gesprächsbereit gezeigt, jedoch für ihre Zustimmung Gegenleistungen gefordert, die zumindest eine der Regierungsparteien unannehmbar fand. Die FPÖ fordert die Aufwertung von Plebisziten, das BZÖ eine Deckelung der Steuerquote in Verfassungsrang, die Grünen wollen eine zusätzliche Besteuerung der Vermögenden.

Ob die neue Beurteilung auch das Zinsniveau für Österreichs Staatsanleihen in die Höhe treiben wird, ist noch nicht klar. Letzte Woche konnten langfristige Papiere für 3 Prozent Rendite verkauft werden, für kurzfristige Schatzscheine zahlten Investoren wie in Deutschland gar einen geringfügigen Negativzins.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • G
    GWalter

    Brok's Analyse ist im Grunde richtig nur nicht vollständig.

     

    Der globale Krieg der Wallstreet hat einen sehr viel gewichtigeren Hintergrund. Da mehr als 80% des globalen Handels (Rohstoffe etc) auf US-$ Basis abgewickelt werden, hat dieser - bedingt durch permanente Nachfrage - einen Aussenwert ohne materielle Substanz.

    Die FED druckt pausenlos wertlose $ und verteilt sie an Wallstreet, von wo sie weltweit zum Erwerb wertvoller Unternehmen oder -teilen (Aktien) und Waren verwendet werden.

    Dieser gigantische Betrug wird von China kopiert, das sich von seinen $-Währungsreserven in gleicher Weise trennt (Aufkauf von europäischen Industrien). Der Tag, an dem der globale Handel eine alternative Währung zum US-$ einführt, bricht der Aussenwert des US-$ in sich zusammen.

    Deshalb versucht Wallstreet mit Erpressung einschliesslich militärischer Bedrohung, den US-$ als Handelswährung zu erhalten so lange es irgend geht und der EUR muss weg, weil dieser das Potenzial zur Alternative hat.

     

    Die größte Gefahr für die USA beruht in einem dramatischen Verlust der internationalen Kaufkraft des US-$, das US Leistungs- und Handelsbilanzdefizit würde explodieren und der US-Währungsbetrug würde zu einer US-Depression ohne Beispiel führen.

     

    Die größte Gefahr geht für Wallstreet daher von den Bemühungen zwischen China, Russland und den asiatischen Volkswirtschaften aus, den Handel ohne US-$ abwickeln zu wollen.

     

    Dies kommt aus US-Sicht (Wallstreet) einer Kriegerklärung gleich.

  • E
    Engels

    Ist doch egal, ob man Millionär A oder B wählt. Millionäre sind doch eh krank, weil ihnen nicht eine halbe Million reicht und in der Politik vertreten die nur ihre Casinointeressen. Also sollte man die von der Wahl ausschliessen, genauso wie andere Kriminelle.

  • AT
    aris toteles

    Der soll sich zu den Wahren Finnen nach Ungarn verpfeifen. Gemäß griechischer Medien ist Brunis Kind eh von Merkel und das der wahre Grund für Paps Rücktritt. Man bedenke: Westerwelle kann sich ungehindert ganz anderen Kulturkreisen bewegen; wird halt nur nicht zum Gebet eingeladen.

  • F
    Frage

    Es kann doch nicht sein, dass das Kaffeesatzlesen einer Ratingagentur demokratische Wahlen untergräbt. Da würde man doch erwarten dass die Politik schon im eigenen Interesse einschreitet und den Einfluss der Ratingagenturen beschneidet. Oder läuft das vielleicht den persönlichen (Finanz)Interessen der Politiker entgegen?