: Verletzung der Menschenrechte
■ Dolmetscherverband empört: Flüchtlinge haben Anrecht auf qualifizierte Übersetzung / 17jähriger Senegalese soll nach Gambia Von Silke Mertins
Dolmetschen ist bei der Hamburger Ausländerbehörde offenbar die Fortsetzung der Abschiebung mit anderen Mitteln. Abgelehnte AsylbewerberInnen mit „ungeklärter Nationalität“ – sprich: ohne gültige Ausweispapiere – werden im Zweifelsfall in irgendein aufnahmebereites Land abgeschoben. Mit von der Abschiebe-Partie sind unqualifizierte Sprachmittler, die in einer Anhörung wissentlich oder unwissentlich das Flüchtlingsschicksal besiegeln.
„Bestürzt“ über den taz-Bericht „In die Abschiebung gedolmetscht“ (am 15. Juni) legte der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) bei Ausländerbehörden-Chef Peter Dauer jetzt scharfen Protest gegen die Hamburger Praxis ein. Es sei eine „eklatante Verletzung der Menschenrechte“, AusländerInnen in den Behörden, vor Gericht oder bei der Polizei qualifizierte DolmetscherInnen vorzuenthalten, so Karin Meßmer vom BDÜ-Vorstand. Rechtsanwälte könnten im übrigen Beschwerde gegen Sprachmittler einlegen, die als Qualifikation lediglich mitbringen, aus Afrika zu stammen und die Sprache des Betroffenen mehr oder minder gut zu beherrschen.
Ein Beispiel: „Im Beisein eines Afrika-Sachverständigen“ wird der abgelehnte Asylbewerber Ebrima Jarju bei einer Anhörung zu seiner Herkunft befragt. Der 17jährige hatte angegeben, Senegalese zu sein. Weil die Botschaft aber Senegalesen ohne Originalpapiere kein Einreisevisum erteilen will, bekam der Flüchtlingsjunge kurzerhand die gambische Nationalität zugeteilt.
In der Begründung des Behörden-Sachbearbeiters heißt es, der „Sachverständige“ halte den Senegalesen, dessen Muttersprache Mandinka sowohl in Gambia als auch im Senegal gesprochen wird, für einen Gambianer – Staatsangehöriger eines Landes also, das sich zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit erklärt. Nur: Der vom Behörden-Mitarbeiter vollmundig als „Afrika-Sachverständige“ betitelte Dolmetscher ist lediglich ein unvereidigter, weder linguistisch noch ethnologisch oder juristisch qualifizierter „Sprachmittler“.
„Ein Mißverständnis“ des Sachbearbeiters sei das wohl, so Ausländerbehörden-Sprecher Norbert Smekal. Trotzdem sitzt Ebrima Jarju in Abschiebehaft; sein Gnadengesuch wurde vom Eingabenausschuß der Bürgerschaft abgelehnt.
„Unverständlich“ ist es unterdessen dem BDÜ, „aus welchen Gründen nicht auf qualifizierte DolmetscherInnen zurückgegriffen wird“ – nicht mal in den gängigen europäischen Sprachen. Vereidigte DolmetscherInnen „arbeiten nach berufsethischen Regeln, und dazu gehört beispielsweise auch, nicht als ,Befrager' zu fungieren“, sondern als DolmetscherIn in der neutralen Rolle zu bleiben.
Selbst für das Behörden-Argument, für afrikanischen Sprachen wie Wolof, Twi oder Mandinka gebe es eben keine vereidigten ÜbersetzerInnen, hält der BDÜ längst eine Lösung parat: In einem 7-monatigen Weiterbildungskurs „Dolmetschen und Übersetzen für Gerichte und Behörden“ könnten auch für diese Sprachen qualifizierte Fachkräfte ausgebildet werden.
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