Verlegerchef über Zukunft der Medien: "Auf Augenhöhe mit Google"
Weniger Geld für junge Journalisten, mehr Rechte gegenüber Google: So sieht Oberverleger Helmut Heinen die bei den Müchner Medientagen diskutierte Zukunft der Verlage.
Herr Heinen, das Privatfernsehen hat für das erste Halbjahr 2010 überraschend gute Zahlen vorgelegt. Gibt es bei den Zeitungen eine ähnliche Erholung?
Helmut Heinen: Leider nein. In den ersten acht Monaten 2010 mussten wir weitere, wenn auch geringere Verluste im Anzeigengeschäft verzeichnen. Wir gehen davon aus, dass sich das nun von Monat zu Monat etwas beruhigt, so dass wir bis zum Ende des Jahres eine schwarze Null erreichen. Allerdings haben unsere Rückgänge 2009 fast ausschließlich im Rubrikengeschäft stattgefunden, das es in TV so nicht gibt.
Was bedeutet das für die Journalisten? Der Manteltarifvertrag für Redakteure ist gekündigt, Sie verhandeln momentan. Es soll von einem BDZV-Mitglied den Spruch geben „Journalisten werden künftig mehr arbeiten und weniger verdienen.“ Stimmt dieser Trend?
HELMUT HEINEN, 55, ist der Herausgeber der Kölnischen Rundschau und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Er hat dieses Amt seit dem Jahr 2000 inne und wurde seither drei Mal wiedergewählt. Er kommt aus einer alten Kölner Verlegerfamilie und studierte Mathematik. Neben der Kölnischen gibt er auch die Bonner Rundschau heraus.
Jedes Jahr im Herbst treffen sich bei den Medientagen in München Unternehmer, Macher und Politiker. Sie gelten als eines der wichtigsten Ereignisse der Branche, 2009 zählten die Veranstalter mehr als 7.000 Personen. Dieses Jahr finden die 24. Medientage statt - vom 13. bis 15. Oktober 2010.
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Das Motto lautet in diesem Jahr: "Wert(e) der Medien in der digitalen Welt". Unter den Bezeichnungen Mediengipfel, Printgipfel, Onlinegipfel, Infrastrukturgipfel und Contentgipfel gibt es an jedem der drei Tage Schwerpunkte zu bestimmten Themen. Mit dem Mediengipfel beginnen die Medientage, die Diskussionsrunde wurde in den vergangen Jahren traditionell von Noch-Focus-Chefredakteur Helmut Markwort moderiert.
Es ist nicht unsere schönste Zielvorstellung, JournalistInnen weniger verdienen zu lassen. Aber wir müssen angesichts der wirtschaftlichen Situation schnell wirksame Kostenentlastungen erzielen. Deshalb haben wir auch den Manteltarifvertrag gekündigt. Wir möchten nicht an die Monatsgehälter heran, wir wollen auch nicht fundamental alles in Frage stellen, aber über den Manteltarif ist eine relativ schnelle, möglicherweise befristete Kostenabsenkung möglich. Vor allem brauchen wir günstigere Einsteiger-Gehälter, damit wir auch jüngere Journalisten dauerhaft übernehmen können.
Haben Sie denn die Hoffnung, dass das alles noch einmal unter einen Hut geht? Schon heute gibt es in vielen Häusern Redakteure erster und zweiter Klasse: die einen arbeiten nach dem Redakteurstarif, die anderen sind offiziell Leiharbeiter aus einer verlagseigenen Agentur und bekommen deutlich weniger.
Der Verband hat sich immer zum Prinzip des Flächentarifs bekannt und wird das auch weiterhin tun. Die Auslagerungen sind aus unserer Sicht ja gerade ein Zeichen dafür, dass mit dem Kostenniveau nicht alles stimmt. Davon sind oft die Nachwuchskräfte betroffen. Deshalb streben wir für die Zukunft eine Senkung des Tarifs an, denn das ist das beste Mittel, um den Flächentarif weiter am Leben zu erhalten. Je verträglicher und marktnäher die Tarifbedingungen, umso größer ist die Akzeptanz. Im übrigen sind Tarifgehälter Mindestgehälter.
Der BDZV macht sich für ein eigenes Leistungsschutzrecht für die Presse stark - aber selbst die Union hat – wie jüngst der Vorsitzende der CDU-Medienexpertenkommission Andreas Krautscheid – mittlerweile arge Zweifel an der Sinnhaftigkeit des ganzen Unterfangens. Wo genau klemmt es?
Wir haben Mitte des Jahres den Punkt erreicht, an dem eine umfangreiche Abstimmung mit den Journalistengewerkschaften erfolgt ist. Die Gewerkschaften werden den Weg mit uns gehen, Einzelheiten vorbehalten. Auf dieser Basis haben wir im Ministerium Eckpunkte unserer Vorstellungen vorgetragen. Es ist nun die Entscheidung gefallen, das Thema in den Korb 3 des Urheberrechts zu verschieben, was die Sache noch einmal komplexer macht. Die breite Diskussion hat aber meiner Einschätzung nach jetzt erst eingesetzt. Und da sind leider auch viele Falschinformationen im Umlauf. Natürlich sind bei so einer Entscheidung die Interessenverbände der derzeitigen Kostenlosnutzer auch darauf bedacht, Sand ins Getriebe zu streuen.
Aber es gibt es auch im BDZV Stimmen, die vor zu hohen Erwartungen warnen und bezweifeln, dass sich darüber für den doch recht kleinteilig strukturierten Zeitungsmarkt Einnahmen in großem Umfang generieren lassen. Für große Verlage mag sich das lohnen, für kleinere Zeitungsverlage sei es aber doch eher symbolisch.
Es wird über das Symbolische hinausgehen, kann aber nicht das Allheilmittel sein, mit dem wegbrechende Erlöse im Printsektor komplett kompensiert werden. In welcher Weise Erlöse größeren bzw. kleineren Verlagen zukommen, kann ich noch nicht sagen. Da fehlen uns noch die Modelle. Dass es auf eine Bevorteilung der Großen hinausläuft, sehe ich allerdings nicht.
Es gibt auch Stimmen, die das Leistungsschutzrecht nur als ersten Schritt zu einem Zeitungs-GEMA sehen. Sehen Sie das ähnlich?
Wichtig ist erst einmal das Leistungsschutzrecht. Es ist eine grundsätzliche Frage, dass über das journalistische Urheberrecht die Rechte dessen geschützt werden, dessen Leistung nachgefragt wird. Umgekehrt hat aber auch der Journalist ohne den Verlag keine guten Chancen, seine Leistung an den Markt zu bringen. Denn viele Leser orientieren sich doch zunächst mal an der Marke Tageszeitung – und dann erst am einzelnen Journalisten. Wenn man das Leistungsschutzrecht hat, kann man auf ganz anderer Augenhöhe mit einzelnen Nutzern wie etwa Google Gespräche führen. Dann ist es eine Frage der Praktikabilität, ob man sich als Nutzer mit jedem Verlag, der Leistungsschutzrechte besitzt, einigen möchte, oder ob nicht eine Verwertungsgesellschaft im Interesse aller ist. Erstmal geht es jedoch darum, dass dieses Recht überhaupt eingeräumt wird.
Als Modell für private Nutzer wird paid content ja seit zwei Jahren international heiß diskutiert. In Deutschland sind die Verlage allerdings sehr zaghaft. Woher kommt das?
Zaghaftigkeit kann ich nicht bestätigen . Mittlerweile gibt es von Lokalzeitungen kostenpflichtige Apps zum Beispiel für die Berichterstattung über ihre örtlichen Fußballvereine. Das wird kontinuierlich weitergehen. Mit einer Zunahme der kostenpflichtigen Angebote werden diese auch mehr ins Bewusstsein der NutzerInnen gelangen. Wenn wir die Preise nicht überziehen, könnte sich da durchaus ein Trend entwickelt.
Bei den Honorarsätzen für freie Mitarbeiter hat der BDZV sich nach langen Verhandlungen mit den Gewerkschaften geeinigt. Bloß werden diese Honorare bei vielen Blättern, die BDZV-Mitglieder sind, weiterhin nicht gezahlt.
Die Honorarregeln sind für alle verbindlich, das ist der große Schritt. Man darf nicht übersehen, dass die Regeln für hauptberufliche freie Journalisten gelten. Das war für uns ein Kernpunkt, da eine große Zahl von freien Mitarbeitern Nebenberufler sind. In meinem eigenen Haus, der Kölnischen Rundschau, haben wir bisher eine einstellige Zahl von Fällen, für die die neuen Honorarregeln in Frage kamen, und in diesen Fällen wenden wir sie auch entsprechend an.
Viele Freie haben ja die Möglichkeit, die Regeln einzuklagen, laufen dann aber Gefahr, künftig keine Aufträge mehr zu bekommen. Da wäre es natürlich hilfreicher, wenn der Verband seine Mitglieder etwas eindrücklicher als bisher daran erinnert, dass da eine Pflicht besteht.
Unser Verhandlungsführer, Werner Hundhausen, hat das in der Mitgliederversammlung auch nochmal so ausgesprochen.
Die im Verband Freischreiber organisierten hauptberuflichen Freien haben auf ihrer Jahreskonferenz dezidiert festgestellt, dass der freie Journalist nicht umhin kommt, nebenbei von PR und Pressearbeit zu leben. Früher hieß es bei den Verlegern, Journalisten machen keine PR.
Es ist für den Status des freien Journalisten nicht unvereinbar, für unterschiedliche Auftraggeber zu arbeiten. Dass man im Einzelfall ausschließen muss, dass jemand für uns schreibt, der im selben Feld auch für interessengeleitete Organisationen arbeitet, kann durchaus sein. Generell sollte in jedem Blatt aber ausreichend Kapazität darauf verwendet werden, um alle Inhalte auf Interessenkollisionen zu prüfen. Wir machen uns nicht zu Organen für Pressemitteilungen. Wenn das mit dem Ziel der Kostenersparnis einherginge, wären wir auf einem völligen Holzweg.
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