Verlängerung der Transrapid-Trasse: Chinas Mittelschicht muckt auf
In Schanghai kämpfen Angehörige der Mittelschicht gegen die Verlängerung der Transrapid-Trasse. Mit Regierungskritik halten sie sich allerdings zurück.
Schanghais Bürgermeister hat den Bewohnern seiner Stadt versprochen, sie beim Ausbau der Transrapid-Strecke zu konsultieren. "Momentan sind wir in einer Phase, in der wir Meinungen über die vorgeschlagene Flughafenverbindung des Transrapid einholen", sagte Han Zheng in der vergangenen Woche zum Abschluss der Tagung des städtischen Volkskongresses. Zugleich rief der KP-Mann dazu auf, diese Meinungen nur über legale Kanäle auszudrücken. Damit spielt er auf Proteste gegen das Prestigeprojekt an. Im Januar hatten mehrmals tausende Menschen gegen den Ausbau der Magnetschwebebahn demonstriert. Dabei hatte es auch vorübergehende Festnahmen gegeben.
Zhengs Äußerungen zeigen, dass es sich die Regierung der wohlhabenden Wirtschaftsmetropole immer weniger leisten kann, die Bürger bei Entscheidungen außen vor zu lassen. Die KP-Führung muss auf Proteste reagieren, und sei es nur, um Zeit zu gewinnen.
Dabei war die geplante Trasse zur Verlängerung der bisher weltweit einzigen kommerziellen Transrapid-Strecke bereits im Dezember nach Protesten geändert worden. Das verteuerte die Kosten, verhinderte die neuen Aktionen jedoch nicht.
Die Demonstranten, meist Anwohner der geplanten Strecke, kommen überwiegend aus der Mittelschicht. Einige wehren sich gegen Umsiedlungen und zu geringe Entschädigungen oder fürchten einen Preisverfall ihrer Häuser und Wohnungen. Andere sorgen sich um Lärm, Erschütterungen oder gar elektromagnetische Strahlung.
Die jetzige rund 30 Kilometer lange Strecke, von Siemens und Thyssen-Krupp mit einem 100-Millionen-Euro-Kredit der deutschen Regierung gebaut, verläuft vom neuen Flughafen Pudong zur U-Bahn-Station Longyan-Straße. Die Trasse soll bis 2010 um 32 Kilometer zum alten Flughafen Hongqiao verlängert werden und auch am Südbahnhof und der Expo 2010 vorbeiführen. Die vormals geplante Strecke ins 170 Kilometer entfernte Hangzhou ist erst mal vom Tisch.
In China sind Proteste und Unruhen von Bauern alltäglich. Angehörige der Mittelschicht, die zu den Nutznießern der Wirtschaftsreformen gehören, gehen selten auf die Straße. Sie sind gebildet, gut informiert und mit modernen Kommunikationsmitteln vertraut. Da sie oft selbst Wohnungseigentum besitzen, verteidigen sie die damit verbundenen Rechte.
Die Schanghaier Demonstranten halten sich mit weitergehender Regierungskritik zurück. Sie nennen ihre Demonstrationen "kollektive Spaziergänge" und wollen die KP nicht provozieren, zeigen aber Videos ihrer Proteste selbstverständlich bei YouTube. Im März 2007 schrieben Anwohner der geplanten Strecke gar der deutschen Kanzlerin, das Projekt verletze die Menschenrechte.
Ermuntert fühlen sich Schanghais Demonstranten durch einen Präzedenzfall in der Hafenstadt Xiamen, Provinz Fujian. Dort verhinderten die bisher größten Proteste von Angehörigen der Mittelschicht im vergangenen Jahr den Bau einer großen Chemiefabrik. Xiamens Regierung musste öffentliche Konsultationen gewähren. Als sich dabei 85 Prozent der ausgelosten Teilnehmer gegen das Projekt wandten, war es nicht mehr zu halten. Die Fabrik soll jetzt außerhalb der Stadt entstehen.
In Schanghai sind die Erfolgsaussichten der Proteste geringer. Ein Nachgeben der Regierung hätte Signalwirkung. Schließlich geht es nicht um eine Fabrik taiwanischer Investoren wie in Xiamen, sondern um ein offizielles Prestigeprojekt, das China zur Expo 2010 als Hightech-Nation darstellen soll. Die KP-Führung wird auch deshalb nicht nachgeben wollen, weil sie Schanghais Führung erst 2006/2007 wegen eines Korruptionsskandals ausgetauscht hatte. Die ist jetzt zum Erfolg verdammt. Doch dass Bürger überhaupt gegen ein solches Prestigeprojekt wie den Transrapid aufzumucken wagen, muss Peking beunruhigen.
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