Verklärung des Faschismus in Italien: Kampf um die rechte Gesinnung

In Italien greift eine nostalgische Verklärung des Faschismus um sich. Ausgerechnet der Ex-Faschist und Führer der Alleanza Nazionale Gianfranco Fini tritt dem entgegen.

Starke weiße Menschen. Bild: dpa

Dem italienischen Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini ist ein echtes politisches Kunststück gelungen: Der frühere Faschist erhält in diesen Tagen ungeteilten Beifall von Politikern und Intellektuellen seiner entschiedenen Gegner auf der Linken - dank einer schonungslosen Philippika gegen den Faschismus.

Ausgerechnet auf dem Jugendfestival seiner Partei Alleanza Nazionale hielt Fini es vor Hunderten jungen Faschismusnostalgikern für angebracht, ein paar eigentlich recht banale Wahrheiten ganz unzweideutig auszusprechen: "Die italienische Rechte - und vorneweg die Jugendlichen - müssen ohne jede Zweideutigkeit aussprechen, dass sie sich mit einigen Werten unserer Verfassung identifizieren: Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit. Werte, die rundum antifaschistisch sind."

Fini, der 1995 die frühere faschistische Partei MSI zur demokratisch gewendeten Alleanza Nazionale (AN) umgegründet und ins Berlusconi-Lager geführt hatte, nahm diese Klarstellung aus gutem Grund vor. In den letzten Wochen glaubten führende Vertreter seiner Partei, auch aus hohen politischen Ämtern des demokratischen Italien heraus den Ruf des Faschismus aufpolieren zu müssen. Den Anfang hatte Gianni Alemanno gemacht, seit April dieses Jahres Bürgermeister der italienischen Hauptstadt. Ausgerechnet auf einer Israel-Reise und ausgerechnet nach einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem sah Alemanno sich zu "Differenzierungen" genötigt. Gewiss, die Mussolini-Rassegesetze von 1938 seien das "absolute Böse", erklärte er, aber Gleiches könne man keineswegs vom Faschismus insgesamt behaupten. Der sei nun mal "ein komplexes historische Phänomen", dem viele Menschen schließlich "in gutem Glauben" gefolgt seien.

Gleich darauf sattelte Verteidigungsminister Ignazio La Russa - wie Alemanno und Fini hat er seine politische Karriere als Jugendlicher bei den Faschisten begonnen - noch eins drauf. Auch La Russa wählte Ort und Zeitpunkt mit Bedacht: Er sprach im Beisein des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano auf der Gedenkkundgebung in Rom am 8. September. An jenem Tag im Jahr 1943 hatte Italien die Fronten gewechselt, hatte Nazi-Deutschland in Italien sein Besatzungsregime errichtet, hatte es erste italienische Tote bei Kampfhandlungen mit deutschen Truppen gegeben.

La Russa aber wollte lieber "der anderen" gedenken: jener Italiener, die sich auf die Seite des Hitler-Marionettenregimes von Salò schlugen und gemeinsam mit der SS die Partisanen bekämpften. "Ich würde meinem Gewissen Unrecht tun", erklärte La Russa in seiner Rede, "wenn ich nicht daran erinnerte, dass andere Militärs in Uniform im Glauben an die Verteidigung des Vaterlandes kämpften, sich der Landung der Amerikaner und Engländer widersetzten und sich mithin den Respekt all jener erwarben, die mit Objektivität auf die Geschichte Italiens blicken."

So viel auf Rehabilitierung des Faschismus zielender "Respekt" wurde schließlich Gianfranco Fini zu viel. Fini nämlich möchte seine Alleanza Nationale in Berlusconis neue Sammelpartei "Haus der Freiheit" führen - und damit auch in die Europäische Volkspartei, in der die Christdemokraten und Konservativen des Kontinents vereint sind. Fini wurde deshalb überdeutlich. "Die Rassegesetze waren ein infamer Gräuel, aber der Faschismus insgesamt war negativ", hielt er Alemanno entgegen. La Russa wiederum musste sich anhören, "dass man nicht die, die auf der einen Seite für eine richtige Sache kämpften, gleichsetzen kann mit jenen, die auf der falschen Seite standen".

Fini hat jetzt zwar klare Worte gesprochen und damit für seine eigene Person tatsächlich unmissverständlich den Bruch mit der faschistischen Vergangenheit vollzogen. Geklärt hat er jedoch recht wenig. Denn die Parteibasis der Alleanza Nationale, beginnend bei den Jüngsten, die ihm konsterniert zuhörten, steht weiterhin eher auf Seiten der Nostalgiker. Und die haben einen starken Bündnispartner: Silvio Berlusconi. Seit Berlusconi 1994 in die Politik eintrat, nahm er nicht ein einziges Mal an den Gedenkfeiern des 25. April - des Tages der Befreiung von Nazis und Faschisten - teil; als Ministerpräsident entschuldigte er einmal sein Fehlen provozierend damit, er habe sich "die Hand verstaucht". Und auch jetzt hat Berlusconi lieber die Ewiggestrigen in den eigenen Reihen, als nach rechtsaußen hin für Klarheit zu sorgen. Im Fernsehen nach seiner Meinung zu Finis Klarstellungen befragt, erklärte Berlusconi am Montag in bündiger Verharmlosung, "wenn einer gegenüber den eigenen Vätern nostalgisch ist, hat das doch gar keine Bedeutung".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.