piwik no script img

VerkehrskonfliktAuf neuen Gleisen

Die Hamburger CDU will 100 Kilometer Stadtbahn bauen und hält das für finanzierbar. Handelskammer und SPD wollen lieber U- und S-Bahnen aufhübschen

Die CDU wünscht sich eine solche Stadtbahn für Hamburg. Bild: Büro + Staubach

Für Klaus-Peter Hesse gibt es nicht mehr links oder rechts, nur noch vorn: „Wir müssen jetzt alle mal die ideologischen Scheuklappen absetzen“, findet der Verkehrsexperte der CDU in der Bürgerschaft, und sein Fraktionschef Dietrich Wersich glaubt, „Denkverbote à la Olaf Scholz sind keine Lösung“. Und deshalb fordert die CDU, ein ursprünglich grünes Projekt wiederzubeleben: Ein fast 100 Kilometer langes Netz von Stadtbahnlinien sei „die schnellste, beste und die einzige bezahlbare Lösung für Hamburgs Verkehrszukunft“.

In sechs Etappen könnte bis 2030 ein Streckennetz von 93,4 Kilometern Länge verlegt werden, auf dem 17 Stadtbahn-Linien fahren. Diese könnten pro Jahr mit 250 Millionen Fahrgästen mehr Menschen befördern als aktuell die U-Bahnen. Die Kosten von 2,7 Milliarden Euro würden zur Hälfte vom Bund finanziert werden. Für Hamburg blieben somit „pro Jahr Investitionen von 100 Millionen Euro“, rechnete Hesse am Donnerstag im Rathaus vor. Das sei sinnvoller als das 250 Millionen Euro teure Busbeschleunigungsprogramm des SPD-Senats, von dem „alle Experten sagen, dass es bereits 2020 an seine Kapazitätsgrenzen stoßen wird“, so Hesse.

Das von der CDU zusammen mit unabhängigen erarbeitete Konzept sieht vor, die erste Linie von Steilshoop über den Ring 2 zu den Arenen im Volkspark zu führen. Weil diese Strecke zum größten Teil bereits durchgeplant war, als CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus sie nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition Ende 2010 stoppte, könne mit dem Bau sehr rasch begonnen werden, sagt Hesse: „In zwei Jahren könnten wir anfangen.“ Auch die zweite Strecke von Niendorf zum Hauptbahnhof war damals fast planungsreif und sollte somit als zweite Trasse realisiert werden.

Weitere Linien sehen die Verlängerung von Steilshoop nach Osten bis Rahlstedt und Billstedt vor, von den Arenen über Schenefeld nach Osdorf und Lurup sowie noch Nordosten über Eidelstedt, Niendorf und Langenhorn nach Poppenbüttel. Zudem sollte im Süden die Stadtbahn bis Veddel fahren und die im Bau befindliche U 4 bis Harburg. Das Prinzip sei, sagt Hesse, „Linien zu ergänzen und Tangentialverbindungen zu schaffen“. Denn zurzeit fahren alle Bahnen durch den Hauptbahnhof, was diesen verstopft und die Fahrtzeit verlängert: „Wir brauchen direkte und schnelle Verbindungen.“

Ebenfalls am Donnerstag schlug die Handelskammer vor, lieber das bestehende U- und S-Bahn-Netz zu erweitern. Dies sei „unter Akzeptanz- und Effizienzaspekten“ sinnvoller, als mit der Stadtbahn ein weiteres neues Nahverkehrssystem zu errichten. „Höchste Dringlichkeit“, so die Kammer, hätten eine U-Bahn von Farmsen nach Othmarschen und eine U-Bahn von Lokstedt über Univiertel und Hafencity nach Harburg. Zudem sollte die Pläne für eine S 4 nach Bad Oldesloe und eine verlängerte S 21 nach Kaltenkirchen umgesetzt werden.

Das findet auch Martina Koeppen, Verkehrsexpertin der SPD-Fraktion, besser. Entsprechende Prüfungen „für die 20er- und 30er-Jahre“ nehme die Hochbahn auf Bitten von Bürgermeister Olaf Scholz bereits vor. Eine Stadtbahn hingegen stünde finanziell in Konkurrenz zu S 4 und S 21. Deshalb habe der CDU-Vorschlag, so Koeppen, „mit seriöser Politik nicht viel zu tun“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich hätte schwören können, dass das auf dem Foto der Sendlinger-Tor-Platz in München ist …

  • Die SPD kann niemals für den Bau einer Stadtbahn in Hamburg votieren. Haben diese doch die Straßenbahn in Hamburg abgeschafft. Und bei den jetzt hier zu lesenden Kommentaren, ich bitte um nachsehen, sieht man, wie jahrzehntelange Stimmungsmache gegen irgendetwas zum Erfolg führt. Nun habe ich Kollegen in Hamburg, die sagen, dass die Straßenbahn/ Stadtbahn den Autos den Platz wegnimmt. Ich sehe das anders. Und Schietbüttel, bedankt euch beim Sozialdemokraten Klose, dass die "alte" U4 nicht gebaut wurde. Wäre wohl zu teuer gewesen, meinte Klose. Die "neue" U4 in die noble Hafencity, ohne direkte Station vor der Philharmonie, mit einer erträumten Verlängerung nach Harburg, als ob da nicht schon die S3 hinfährt, rausgeschmissenes Geld.

    • @Peter_S.:

      Klose und co. sind auch ein Grund, wieso ich schrieb, daß ich skeptisch bin. Gleichzeitig ignoriert man so aber auch alle U-Bahn-Bauprojekte, die zuletzt umgesetzt worden sind, ob an U2 oder U3.

       

      Eine Straßenbahn ist auch keine Stadtbahn. Daß man die damals abgeschafft hat, als die Straßen aus allen Nähten platzte und man selbst nach Niendorf eine U-Bahn baute, war damals keineswegs falsch. So eine Rumpelbahn will auch niemand zurück. Eine Stadtbahn wäre hingegen schon deutlich bequemer, aber die Kosten sind immens und die Pläne der CDU einfach nur kurios. Da wird man doch auch schauen dürfen, ob man die Milliarden nicht anders sinnvoll verbuddeln kann -- ganz ohne Nostalgie.

       

      Aber interessant, daß man nun bei der U4 sogar bemängelt, daß sie nicht vor der Elbphilharmonie hält, obwohl es angeblich so nobel ist. Dort würden kaum Personen aussteigen, die Baukosten wären immens höher und die Fahrzeit in die östliche HafenCity sowie weiter würde länger dauern. Irgendwie beißt sich die Argumentation sehr. Und die Verlängerung zu den Elbbrücken -- buuuh, da sind doch Sozialwohnungen geplant! -- war ja auch lange "erträumt". Und wenn sie dann konkret wird, wird die Verlängerung zur Veddel "erträumt" und so weiter. Fehlt nur noch ein "Wer hat uns verraten ... ?".

  • Die CDU nimmt doch niemand mehr ernst. Sie hat selbst die Themen Finanzen, Justiz und Innen an die SPD verloren. Bei Wirtschaft, Bildung, Integration und Soziales war sie sowieso stets hinterher. Und so hat sie über zehn Jahre die Straßen verkommen lassen und nicht nur 2010, sondern auch 2002 die Stadtbahnpläne beerdigt und ordentlich Stimmung in Winterhude etc. gemacht. Bin zwar skeptisch ggü. U-Bahnplänen der SPD, aber immerhin könnte dort mal was zuverlässig durchgezogen werden. Eine U-Bahn auf den vielbefahrenen Strecken (z.B. Buslinien 4, 5 und 6) würde den ÖPNV extrem attraktiver machen, die Straßen (für Rad, Fußgänger, Busse und MIV) entlasten und wäre auch nicht teurer als irgendwelche Stadtbahnen querfeldein, für die es kaum Nachfrage gibt. Aber Hauptsache man lockt wieder Hunderttausende HSV-Fans mit einem Anschluß an die Arenen, die nur während der Saison alle zwei Wochen mal ordentlich ausgelastet sind. Ein Wunder, daß die CDU noch auf 20% kommt.

  • A
    Anna

    Ja, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn (wobei die SPD auch keinen größeren Durchblick hat). Aber wenn immer nur auf den Autoverkehr geachtet wird und dieser bloß nicht eingeschränkt werden darf, so dass bloß keine "Zwangsanreize" geschaffen werden um des deutschen Liebling mal zuhause stehen zu lassen, wird eben kein weiteres Transportsystem auf die Straßen los gelassen. Deshalb möchten die progressive Handelskammer und die nachhaltige SPD alternative Verkehrsmöglichkeiten lieber - im wahrsten Sinne des Wortes - vergraben.

  • S
    Sozifreund

    Wie wollen die Trottel von der Handelskammer eigentlich ihren Unsinn finanzieren ?