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Verkehrschaos in BerlinS-Bahn gönnt sich ne Pause

Weil die Kontrollen verschärft werden, fahren ab Montag zwischen Zoo und Ostbahnhof sowie auf anderen Strecken gar keine S-Bahnen mehr. Bahnvorstand verspricht: "Damit ist die Talsohle erreicht".

Hier kommt der Zug demnächst nicht mehr so oft vorbei: S-Bahn vorm Fernsehturm Bild: Reuters

"Es könnte schlimmer kommen", hatte sich noch am Morgen der Stehnachbar in der S1 Mut gemacht. Es kam schlimmer: Am Donnerstagnachmittag gab die Deutsche Bahn bekannt, dass ab Montag unter anderem zwischen Bahnhof Zoo und Ostbahnhof keine S-Bahn mehr fährt. Ersatzweise sollen pro Stunde sieben Regionalzüge fahren. Wegen genauerer Überpüfungen rollt bis Anfang August nur jeder dritte Wagen. "Damit ist die Talsohle erreicht", versprach Bahn-Vorstand Ulrich Homburg. Anfang Dezember sollen alle S-Bahnen wieder planmäßig fahren.

Hintergrund der zusätzlichen Einschränkungen ist ein aktueller Bescheid des Eisenbahnbundesamts (EBA). Der sieht vor, die Räder der S-Bahnen in noch kürzeren Abständen zu kontrollieren. Schon bisher war der Verkehr stark beeinträchtigt. Bis auf die Ringbahn fuhren die meisten Linien nur im 20-Minuten-Takt.

Die Ringbahn soll auch zukünftig alle zehn Minuten fahren. S1 und S2 sollen im Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn jeweils alle 20 Minuten rollen. Von Südkreuz fahren vier mal stündlich Ersatz-S-Bahnen durch den Fernbahn-Tunnel über Potsdamer Platz und Hauptbahnhof nach Gesundbrunnen. Die Abschnitte zwischen Olympiastadion und Spandau, Westkreuz und Nikolassee, Mühlenbeck-Mönchmühle und Blankenburg, Springpfuhl und Wartenberg, Adlershof und Flughafen Schönefeld sowie Strausberg und Strausberg Nord werden nicht befahren, teilte die Bahn mit. Zur Kundeninformation will das Unternehmen am Montag eine Sonderausgabe des S-Bahnmagazins punkt3 verbreiten. Infos soll es unter der Telefon-Nummer 29743333 geben und auf der Homepage www.s-bahn-berlin.de.

Die verbliebenen 165 Züge sind laut Homburg "absolut stabil, die fahren". Von ihm war kein Wort der Kritik am Eisenbahnbundesamt zu hören. "Die Frage der Sicherheit ist unumstößlich und kein Diskussionsgegenstand", sagte der Bahn-Vorstand. "Hier gibt es überhaupt keinen Dissens zwischen Aufsichtsbehörde und Verkehrsunternehmen." Der Bescheid des EBA werde "voll umfänglich unterstützt".

Für Freitag kündigte Homburg ein Treffen zwischen Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Deutscher Bahn, S-Bahn und BVG an. Dabei soll es auch um Großveranstaltungen gehen. Homburg zählt dazu noch mehr als die Leichtathletik-WM Mitte August den Saisonstart der Fußball-Bundesliga, wenn Hertha am 8. August gegen Hannover spielt. Zwar seien wegen der WM hundertausende Gäste in der Stadt. Die würden aber anders als beim Fußball nicht alle gleichzeitig ins Olympiastadion kommen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnte angesichts des S-Bahn-Chaos einen Börsengang der Deutschen Bahn AG ab: "Für die SPD ist klar: Das Thema ist beendet.". Der Autofahrerclub ADAC reagierte auf das Deaster mit der Forderung, auf Parkgebühren in der Innenstadt zu verzichten.

Unterdessen kündigte die Ostdeutsche Eisenbahn an, dass ihre Züge in Berlin, Brandenburg und Süd-Mecklenburg ab Montag wieder nach Plan fahren sollen.

"Die Frage der Sicherheit ist unumstößlich und kein Diskussionsgegenstand"

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2 Kommentare

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  • P
    Planer

    Ich bin zwar nicht die Redaktion, kann die Frage von Jürgen aber beantworten. Ja, auch die ODEG hat aufgrund einer EBA-Anordnung eine bestimmte Baureihe Dieseltriebwagen aus dem Betrieb nehmen müssen. Ursache ist erhöhte Brandgefahr, wenn die in den Motoren verwendeten Abgasturbolader bestimmte Laufleistungen überschreiten. Dazu gab es bislang nur Empfehlungen, jetzt sind sie verbindlich. Zudem wurden die entsprechenden Werte für aufgearbeitete Turbolader deutlich heruntergesetzt. Damit musste ein Teil der Triebwagen außer Betrieb genommen werden, um neue Turbolader einzubauen. Das hat alle Betreiber dieser Triebwagenbaureihe getroffen, die nicht nur von der ODEG, sondern auch von vielen anderen Bahnunternehmen, auch der DB AG, eingesetzt wird. Inzwischen sind allerdings wieder genug Triebwagen in Betrieb, SEV ist nicht mehr nötig. SEV ist ein besch... Ersatz, ganz richtig, aber wenn bei einer mit über 300 Stück bundesweit eingesetzten Fahrzeugbaureihe so etwas passiert, dann kann kein Unternehmen, auch nicht die DB AG, so schnell überall Ersatzzüge einsetzen.

  • J
    Jürgen

    Eine kleine Frage an die Redaktion der TAZ bezüglich des letzten Satzes im Artikel zur Ostdeutschen Eisenbahn (Odeg). Weshal musste diese denn einen Schieneersatzverkehr einrichten? Lag es auch an einer Anordnung des Eisenbahnbundesamtes? Und wenn ja, was hatte die Odeg versäumt? Gab es eine Gefährdung der Kunden? Und weshalb musste dann die Odeg den Verkehr komplett einstellen? Hatte diese keine Ersatzfahrzeuge auf Lager?

     

    Das verheißt aus meiner Sicht nichts gutes für die Ausschreibung von Teilstrecken und Vergabe an private Unternehmen, wenn diese sich anscheinend keine Ersatzfahrzeuge leisten wollen, um auch in Engpässen/Sondersituationen einen Eisenbahnverkehr aufrechterhalten zu können. Schienenersatzverkehr ist in der Regel ein beschissener Ersatz.

     

    Jürgen