Verkehrschaos geht weiter: BVG fährt hart am Limit
Um das S-Bahn-Chaos zu lindern, setzt die BVG zusätzliche und längere Züge ein. Der Härtetest kommt am nächsten Montag.
Zusätzliche Züge, längere Bahnen, mehr Fahrer - die BVG versucht derzeit, mit größeren Transportkapazitäten aufzufangen, was bei der S-Bahn nicht funktioniert. So wurden auf mehreren U-Bahn-Linien der Takt erhöht und bei Buslinien zusätzliche Halts eingerichtet.
Rund 400.000 zusätzliche Fahrgäste transportiere das Unternehmen derzeit täglich, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. "Für uns ist das schon eine hohe Belastung." So seien unter anderem täglich acht Fahrer mehr als normalerweise im Einsatz. Das mache sich vor allem deshalb bemerkbar, weil Fahrer strenge Ruhezeiten einhalten müssten und daher nicht rein nach Bedarf eingeplant werden könnten. "Eine Weile lässt sich das noch durchhalten", sagt Reetz. Es sei aber denkbar, dass am Ende der Rechnung Kollegen fehlen könnten.
Problematisch wird es laut der Sprecherin aber frühestens ab Anfang kommender Woche. Die erste volle Januarwoche verlaufe meist ruhig, da viele Berliner noch im Urlaub seien. "Am nächsten Montag wird sich die Frage stellen, ob es reicht." Das Unternehmen sei derzeit dabei zu prüfen, ob und wo weitere zusätzliche Kapazitäten bereitgestellt werden könnten. So ließen sich möglicherweise bei einigen Straßenbahnen noch Wagen anhängen. Dabei sei jedoch zu bedenken, dass es sich bei zusätzlichen Waggons um Reservematerial handele - was wiederum später an anderer Stelle fehlen könne, wenn es beispielsweise Unfälle oder Pannen gebe.
Stefan Kohte vom Verkehrclub Deutschland (VCD) bezeichnet die zusätzlichen Kapazitäten dagegen vor allem als "symbolische Leistungen". Zwar arbeite die BVG damit tatsächlich an ihrer Grenze. "Aber die BVG hat gar nicht die Power, in großen Mengen zusätzlich aufzustocken." Gerade Anwohnern in den nun von der S-Bahn abgeschnittenen Außenbezirken würden die zusätzlichen Angebote nicht viel weiterhelfen.
Hintergrund der BVG-Unterstützung ist ein neuerlicher Einbruch bei der S-Bahn: Seit dem vergangenen Wochenende hat das Unternehmen sein Angebot weiter ausgedünnt. So fahren auf einigen Außenstrecken gar keine Züge mehr, im Rest des Netzes überwiegt ein 20-Minuten-Takt. In den vergangenen Tagen waren nicht einmal halb so viele Züge unterwegs, wie für einen regulären Betrieb notwendig wären. Den gibt es bereits seit rund anderthalb Jahren nicht mehr: Seit im Juli 2009 das Eisenbahnbundesamt nicht durchgeführte Wartungen bemängelte, häufen sich die Probleme. Anfang Dezember waren es Antriebsstörungen und mit Schnee zugewehte Weichen. Dass jetzt so wenig Züge eingesetzt werden können, ist nach Angaben der S-Bahn vor allem auf den daraus resultierenden Wartungsrückstau zurückzuführen.
Die BVG hat dem Chaos bei der S-Bahn noch an anderer Stelle Rechnung getragen: Wer sich auf der Internetseite der Verkehrsbetriebe eine Verbindung anzeigen lässt, bekommt automatisch nur noch Fahrten ohne S-Bahn vorgeschlagen. Wer eine Verbindung mit S-Bahn haben will, muss das extra auswählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut