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VerkehrLokführer stoppen Züge trotz Verbot

Der Warnstreik der Lokführer verursacht erhebliche Verkehrsprobleme in Deutschland - obwohl ihnen die Gerichte den Austand verbieten.

Der Streik geht weiter. Bild: dpa

Dienstagmorgen, 8 Uhr, Bahnhof Berlin-Wuhletal: Auf dem S-Bahn-Gleis geht wegen des Warnstreiks der Lokführer nichts mehr. Aber die Pendler, die es bis zu dieser Station im Außenbezirk Hellersdorf schafften, haben Glück. Direkt auf der anderen Seite des Bahnsteigs fährt Richtung Innenstadt die Berliner U-Bahn, die nicht bestreikt wird.

So glimpflich lief der zweite Warnstreiktag der Lokführer, die einen eigenen Tarifvertrag anstreben, am Dienstag nicht überall ab. In ganz Deutschland gab es am Vormittag erhebliche Einschränkung beim Fern- und Nahverkehr, besonders betroffen waren das Rhein-Main-Gebiet, Berlin, Leipzig, Hamburg, Hannover, Stuttgart und München. Zuvor hatte es ein Verwirrspiel um die Rechtmäßigkeit des Warnstreiks gegeben, zu dem die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) von 8 bis 11 Uhr aufgerufen hatte. Das Düsseldorfer und das Mainzer Arbeitsgericht hatten die Streiks in einstweiligen Verfügungen untersagt. Dagegen will die GDL nun rechtlich vorgehen. Das Arbeitsgericht Mainz begründete seine Entscheidung damit, dass die Streikmaßnahmen gegen die Friedenspflicht verstießen (siehe Text unten). Zwar waren diese Gerichtsentscheidungen durch Medienberichte bekannt; die Lokführergewerkschaft fühlte sich daran offenbar aber erst gebunden, als ihr die Gerichtsbeschlüsse ordnungsgemäß zugestellt wurden. So wurde der Streik im nordrhein-westfälischen Nahverkehr gegen 8.40 Uhr beendet, im übrigen Bundesgebiet dauerte der Ausstand bis 10.15 Uhr an.

Im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist man wenig begeistert über das Vorgehen der GDL, die nicht im DGB vertreten ist. Die Forderung nach höheren Löhnen für einzelne Berufsgruppen sei unsolidarisch gegenüber den anderen Beschäftigten, sagte DGB-Rechtsexpertin Helga Nielebock der taz. "Der Kuchen kann nur einmal verteilt werden." Zudem sei eine negative Rechtsprechung schlecht für das Ansehen von Streiks im Allgemeinen. Auch sei es für künftige Arbeitskämpfe rechtlich abträglich, "wenn man sich solche Entscheidungen einfängt".

Die GDL verlangt für Lokführer, Zugbegleiter und Beschäftigte in den Speisewagen Lohnsteigerungen. Diese summieren sich - Arbeitszeitverkürzungen eingerechnet - auf bis zu 31 Prozent. Am Freitag treffen sich GDL und Bahnvorstand. Die Lokführergewerkschaft zeigte sich aber skeptisch, dass es dabei zu einer Lösung kommen könne. "Wenn der Arbeitgeber kein verhandlungsfähiges Angebot auf den Tisch legt, wird die Antwort der GDL nicht lange auf sich warten lassen", drohte die Gewerkschaft indirekt mit einem regulären Streik.

Am Montag hatten sich die Deutsche Bahn AG und die übrigen Bahngewerkschaften auf einen neuen Tarifvertrag verständigt, der Einkommensverbesserungen von 4,5 Prozent für die rund 134.000 Beschäftigten der Bahn vorsieht. Bahnchef Mehdorn lehnte die GDL-Forderungen am Dienstag erneut ab und kündigte an, der Konzern prüfe Schadenersatzforderungen gegen die Lokführergewerkschaft.

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1 Kommentar

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  • TS
    Theo Sonnen-Aures

    ?Hin und wieder braucht der Lokführer auch mal ein freies Gleis?

     

    Klaus Hillenbrand erweckt in seinem Kommentar zum Tarifabschluss bei der Bahn den Eindruck, als ob Mehdorn Transnet und GDBA für ?ihr Wohlverhalten bei der Bahnreform? belohnt habe. Die Mitglieder von Transnet und GDBA standen in den letzten 2 Wochen im Warnstreik und wären auch bereit gewesen in die Urabstimmung und den Erzwingungsstreik zu gehen. Dies wusste Mehdorn und der Druck, der seitens der (Gewerkschafts-)Mitglieder erzeugt wurde, war dem Bahnmanagement in den Verhandlungen deutlich anzumerken. Der Zusammenhang mit der Position zur Bahnreform ist reiner Quatsch (dazu hier nicht mehr). Dass nur der berufsständische Verband Lockführer (richtig) vertrete, ist eine Legende. Auch Transnet und GDBA organisieren eine ganze Menge Lokomotiveführer. Dass der Einkommenstarifvertrag, den Transnet und GDBA mit der Bahn abgeschlossen haben, auf (sozialistische) Gleichmacherei hinausliefe, ist genauso ein Märchen, wenn man weiß, dass in der untersten Lohngruppe knapp 1200 und in der obersten 6000 ? zahlt werden. Es ist also eine Frage der Eingruppierung (der Lokoführer und auch der anderen Berufsgruppen) ins Tarifsystem und hier verweigert sich die GDL seit über einem Jahr, an einer Änderung der Tarifstruktur mitzuarbeiten. Stattdessen brät Herr Schell jetzt lieber seine Extrawurst und treibt ?seine? Lokoführer am Ende einer eher blasen Amtszeit (er geht in einem halben Jahr in Pension) in einen isolierten Tarifkampf und macht Radau. Dass Lokomotivführer eine hohe Verantwortung für Leib und Leben der Fahrgäste tragen, ist keine doch Frage: das gilt aber für viele anderen auch: z.B. Fahrdienstleiter, Mechaniker in den Werken, Telematiker, die für die Signale zuständig sind usf. Eisenbahnwesen ist ein Ganzes. Und wie sagte schon Heinz Dürr (ehemaliger Vorstand der DB AG): ?Hin und wieder braucht auch der Lokführer mal ein freies Gleis?. Daher und nicht (nur) aus abstrakter Klassenkampfrhetorik ist es wichtig, dass die Eisenbahner sich nicht aus den privaten Gründen der Befriedigung der Selbstsucht und Eitelkeit eines alternden Funktionäres der GDL auseinanderdividieren lassen.