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VerkehrKein Beifall für den Bus

Experten finden kaum etwas Positives am Vorhaben des SPD-Senats, Busse statt einer Stadtbahn zu finanzieren. Anhörung im Rathaus wird zur Abrechnung.

Macht den Bus auch nicht schneller als eine Stadtbahn: Die "Schlauampel" soll Wartezeiten verringern. Bild: dpa

Bernd-Dieter Schlange sagt es ganz unverblümt: "Vor 25 Jahren hatte Hamburg das modernste Bussystem in Deutschland - heute sind nur noch die Hafenfähren auf der Elbe führend." Der Hamburger Verkehrsplaner war nicht der einzige Fachmann, der in der öffentlichen Expertenanhörung vor dem Verkehrsausschuss der Bürgerschaft am Mittwochabend im Rathaus kaum etwas Positives über die Verkehrspolitik des SPD-Senats zu sagen hatte.

So wies Professor Wolfgang Maennig von der Universität Hamburg auf den größten Nachteil von Bussen in Innenstädten hin: die geringe Reisegeschwindigkeit. Das Durchschnittstempo in Hamburg liege für Busse bei 20 km/h, für Autos bei 28 km/h, für U- und S- Bahnen dagegen bei 40 km/h. "Diese Lücke", so Maennig, "ist nicht zu schließen."

Der SPD-Senat hatte Anfang Dezember angekündigt, mit einem "Bussystem der Zukunft" den öffentlichen Nahverkehr verbessern zu wollen. Schneller, zuverlässiger und bequemer sollten in absehbarer Zeit Busse über die Straßen der Stadt rollen, versprach seinerzeit Verkehrssenator Frank Horch (parteilos). Dafür werde in den nächsten Jahren "Schritt für Schritt ein tragfähiges Mobilitätskonzept umgesetzt".

Dieses sieht in einer ersten Phase bis zum Jahr 2016 vor, die Metrobus-Linien 2, 3, 5, 6, 7, 20 und 25 flotter zu machen und den Eidelstedter Platz neu zu gestalten. Im zweiten Schritt sollen bis 2020 die Metrobus-Linien 1, 23 und 26 optimiert werden. Erreicht werden soll das durch mehrere Maßnahmen: eigene Busspuren auf den Straßen, "wo dies möglich ist", Vorrang für Busse an Ampeln, Umbau mehrerer Kreuzungen, Umgestaltung von Bushaltestellen sowie Aufstellung von Fahrkartenautomaten.

So sollen zum Beispiel die Kreuzungen Hoheluftchaussee / Gärtnerstraße am Ring 2 und Grindelallee / Edmund-Siemers-Allee / An der Verbindungsbahn mit einem Aufwand von jeweils über einer Million Euro busfreundlich umgestaltet werden.

Damit solle das umgesetzt werden, was Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung im März 2011 zu "Europas modernstem Bussystem" erklärt hatte. 259 Millionen Euro will der Senat sich sein Konzept kosten lassen, weil für "ein neues Verkehrssystem, die Stadtbahn, das Geld fehlt", wie Horch einräumte. Deshalb gelte die Konzentration nun dem Ausbau des Bestehenden. Dafür würden bei der Bürgerschaft für die nächsten beiden Jahre 53 Millionen Euro "als Mehrbedarf aufgrund herausragender politischer Priorität" beantragt.

Auch sei der Fahrkomfort von Bussen deutlich geringer als bei einer Stadtbahn, erklärte Maennig. Nachdem in Karlsruhe ein City-Bus durch eine Stadtbahn ersetzt wurde, habe sich das Passagieraufkommen verfünffacht.

"Busse können Schnellbahnen nicht ersetzen", darüber herrschte Konsens unter dem halben Dutzend geladener Fachleute vor dem Verkehrsausschuss. Maennig empfahl alternative Maßnahmen: "Das Radnetz ausbauen und eine City-Maut einführen." Das sei zwar "politisch heikel", räumte der Wirtschaftswissenschaftler ein. Andererseits sei eine City-Maut "aber auch eine schöne Finanzierungsquelle für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs".

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9 Kommentare

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  • H
    Hanseat

    Ich finde die Fahrerlosen Teile etwas unsinnig.

    An wen sollen denn sich angegriffene Personen wenden, wenn es keinen Fahrer mehr gibt?

    Ich bevorzuge Trams, seitdem ich den Fahrkomfort in anderen Städten genießen konnte. DIe sind so leise, dass sich einige Gesetzesvertreter überlegen, ob die Straßenbahnen nicht etwas lauter gemacht werden müssten.

    Die Hamburger Schnellbahnen sich schick und schön, nur ist die Aussicht in der Stadt sehr gering durch die vielen Tunnel. Außerdem finde ich es umständlich, sich ersteinmal 10-20 Meter in den Untergrund zu bewegen um ein Transportmittel aufzusuchen.

  • H
    hjm

    @ thmueller

     

    Ja, da habe ich mich ganz offensichtlich verhaspelt. Also neuer Versuch:

     

    Das Vectus-PRT-System ist mit einer Reisezeit von 55 km/h ungefähr

    4 x so schnell wie ein innerstädtischer Bus ohne Busspur (13 km/h),

    3 x so schnell wie das Auto im Stadtverkehr (20 km/h),

    2 x so schnell wie die U-Bahn (30 km/h),

    30% schneller als die S-Bahn (40 km/h).

     

    Dabei wird ausschließlich die Tatsache berücksichtigt, dass PRT-Systeme keine Zwischenstopps einlegen. Ihre Reisezeit entspricht dadurch annähernd ihrer Höchstgeschwindigkeit. Auch wird in dieser Betrachtung unterstellt, dass Bus oder Bahn abfahrtbereit sind und sofort losfahren. Und es wird unterstellt, dass man sich dabei auf einer vorhandenen Linie (z.B. S1 Wedel – Poppenbüttel) bewegt, also nicht umsteigen muss.

     

    Nun verkehren PRT-Systeme aber nicht auf Linien, sondern sie suchen sich in einem Netz den jeweils kürzesten Weg. Die Strecke Wedel – Poppenbüttel würde ein PRT-System auf dem Hamburger SPNV-Netz so zurücklegen: Wedel – Altona – Sternschanze – Kellinghusenstr – Ohlsdorf – Poppenbüttel.

     

    Und es ergeben sich beim konventionellen ÖPNV in der Regel Wartezeiten, die bei einem 10 Min.-Takt im Schnitt 5 Minuten betragen. Je kürzer die gefahrene Strecke, umso höher schlägt der Anteil der Wartezeit zu Buche. Steigt man außerdem noch um, ergeben sich zusätzliche Warte- und Wegezeiten. Durch all das ergeben sich andere Zahlen und diese hatte ich teilweise angegeben bzw. ich hatte sie versehentlich durcheinandergewürfelt. Sorry für die Konfusion. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

     

    Nicht berücksichtigt habe ich, dass die Reisezeiten in einem PRT-System noch weiter reduziert werden können, indem kürzere Haltestellenabstände gewählt werden. Während ein kollektives Verkehrsmittel durch zusätzliche Haltestellen verlangsamt wird, spielt das in einem PRT-System keine Rolle. Die Haltestellen sind vergleichsweise klein (siehe Film), die Kosten moderat. So können sich für mache Fahrgäste deutlich kürzere (Fuß-)Wege ergeben. Wegen des geringen Gewichts und der kleineren Abmessungen der Fahrzeuge, wegen ihrer guter Steigfähigkeit und der kleinere Kurvenradien (r = 10 m) haben sie einen geringen Platzbedarf und die Trassen sind vergleichsweise billig. Beides erleichtert Netzergänzungen.

     

    Statt die vorhandene Systemvielfalt (U/S/AKN) um ein weiteres Schienensystem zu mehren, sollte man sich lieber auf ein einheitliches und zukunftsfähiges Schienensystem einigen. Dann könnte man alle bestehenden Linien miteinander verbinden und umsteigefrei kreuz und quer durch die Stadt fahren.

     

    Es ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, dass der heutige ÖPNV alles andere als nachhaltig ist. Alle kollektiven, linienorientierten Verkehrssysteme stehen in einem unlösbaren Widerspruch zwischen der Überwindung des Raums (ideal wäre die gerade Linie) und der Erschließung des Raums (möglichst viele Umwege). Diese Umwege tauchen in keiner Statistik auf, vielmehr rechnet sich der ÖPNV diese Umwege als zusätzliche Personenkilometer zu Gute; sie betragen im Schnitt 20%. Auch nimmt die Anzahl der Passagiere normalerweise zu den Linienenden hin ab. Sie sinkt außerdem zu den Nebenzeiten hin ab. Man könnte sagen: wie gewonnen, so zerronnen.

     

    Um eine Person von A nach B zu transportieren verbraucht der ÖPNV in Deutschland ungefähr so viel Energie als wenn sparsame Kleinwagen zum Einsatz kämen. Deshalb ist der Umstieg auf den traditionellen ÖPNV allenfalls eine Verbesserung aber eben keine Lösung.

     

    Übrigens: der Betrieb fahrerloser Fahrzeuge im nicht-öffentlichen Raum, z.B. in Fabriken und auf Eisenbahnstrecken ist in Deutschland geregelt und grundsätzlich zulässig und beides wird auch praktiziert. Schwieriger sieht es mit fahrerlosen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen aus. Die erforderliche Technik für den Mischbetrieb autonomer Fahrzeuge mit manuell gesteuerten Fahrzeugen ist derzeit noch nicht ausgereift, es gibt aber entsprechende Bestrebungen, z.B. die praktischen Versuche der Uni Braunschweig auf dem dortigen Stadtring im fließenden Verkehr.

  • T
    thmueller

    Zur Ergänzung: "Straßenbahn: In München kommt ein Kilometer nach dem anderen dazu": http://www.sonjapitscheider.at/2012/02/straenbahn-in-munchen-kommt-ein.html

    Und wie gesagt: München hat auch eine S- und eine U-Bahn!

  • T
    thmueller

    Straßenbahn: In München kommt ein Kilometer nach dem anderen dazu: http://www.sonjapitscheider.at/2012/02/straenbahn-in-munchen-kommt-ein.html

  • GW
    gisela walk

    Warum wurde die Straßenbahn in Hamburg abgeschafft?

     

    Weil jemand von den Fahrzeugwerkstätten Falkenried die Kupplung für Doppelgelenkbusse erfunden hatte und das Patent dafür irgendwie an Daimler Benz ging und das entsprechende Gutachten (Busse oder Straßenbahnen kostengünstiger, dem Sinne nach!)gefaked und wohl auch irgendwie von Daimler Benz gesponsert worden war (so mündlich ein ehemaliger Mitarbeiter der Fahrzeugwerkstättten Falkenried mir gegenüber)- zu beweisen ist dieser Vorgang evtl. nicht - sollte aber zu denken geben.

     

    Man/Frau kann auch noch einen Schritt weiter gehen bzw. denken:

     

    a) Untersuchungsergebnisse des Wuppertal Instituts zum ÖPVN in HH und hier besonders die Überlegungen zum BürgerInnen ticket

     

    b)www.hvv-umsonst.de.

  • T
    thmueller

    @my name: Der "Geisterbahnhof in Steilshoop mag existieren, die Herrichtung würde aber einem Neubau gleichkommen.

    @hjm: Den Film schaue ich mir gerne an, ABER "Vollautomaten" werden in Deutschland nur schwer durchsetzbar sein. Weiterhin hat "der Bus" allgemein zwei Probleme: Die Kapazität, Personalkosten (grob: Bus: 1 Fahrer auf 100 Fahrgäste, Stadt- (oder Strassen-)bahn: 1 Fahrer auf 200 Personen.) Zweitens: Solange "moderne" Bus-Antriebe nicht serienreif sind, würde ich nicht auf sie wetten. Weder ab 2020 noch überhaupt. Und die Stadtbahn fährt jetzt schon vor Ort emissionsfrei. Ausserdem 3x schneller als eine U-Bahn???

    @Patscho: Ich würde immer noch gerne wissen, wer ihm die Idee vom "Modernsten Bussystem Europas" in's Ohr geflüstert hat. Insbesondere wenn es um die "elektronische Spurführung" geht klangen die Worte z.T. wirklich verkehrstechnisch, wofür ich Herrn Scholz aber nicht halte. Also: Wer saß da auf der Schulter.

     

    Eine Stadt/Strassenbahn ist seit mehr als 100 Jahren bewärt, ist ein echtes "Zugmittel" Menschen in den ÖPNV zu bringen, Umweltfreundlich und hat vor allen Dingen eine größere Kapazität als Busse. Wo diese Kapazität gegeben ist, muß eine Strassenbahn hin! Es geht also nicht um Bus oder Stadtbahn, sondern um Bus mit Stadtbahn!

    Mit stadtbahnfreundlichen Grüssen.

    Thomas Müller

    (Noch lange nicht fertig, aber vielleicht doch schon ansehbar: www.33jahreohnestrassenbahn.de)

  • MN
    my name

    Warum wird die U-Bahn nicht weiter ausgebaut? Es existieren doch Geisterbahnhöfe in Steilshoop etc.

     

    Eine neue Strassenbahn fände ich völlig irrsinnig.

  • H
    hjm

    Angesichts der gerade aufkommenden neuen, automatisierten ÖPNV-Systeme immer noch eine Stadtbahn bauen zu wollen ist grober Unfug, reine Geldverschwendung. Die Entscheidung des SPD-Senats neue Busspuren zu schaffen ist deshalb ziemlich schlau, weil man damit die erforderlichen Trassen schafft, auf denen solche Systeme schon in wenigen Jahren werden fahren können.

     

    4 x so schnell wie ein Bus ohne Busspur, 3 x so schnell wie die U-Bahn, 2,5 x so schnell wie das Auto im Stadtverkehr, doppelt so schnell wie die S-Bahn. Im Bau billiger als eine Stadtbahn. Im Betrieb ungefähr so teuer wie ein Bus. Im Energieverbrauch günstiger als alle zuvor genannten Systeme. Flüsterleise. Behindertenfreundlich. Fahrradmitnahme. Ohne Umsteigen, ohne Fahrplan, ohne Wartezeit. Luxus-ÖPNV für Alle!

     

    Diesen 8-Minuten-Film über das koreanische PRT-System „Vectus“ muss man gesehen haben!: http://www.youtube.com/watch?v=S1rf_lOb3b0 !

  • P
    Patscho

    Olaf Scholz ist weiterhin in dem Denken der autogerechten Stadt der 70er Jahre verhaftet. Seine Partei ist in Teilen schon weiter, hat aber in Hamburg nichts zu sagen, bzw. nickt nur noch alles ab, was der König vorbetet.