Verkehr teilweise eingestellt: S-Bahn in der Kältestarre
Ein neuer Winterrekord: Nur knapp 250 Züge sind unterwegs, manche Bahnhöfe werden gar nicht mehr angefahren.
Für die S-Bahn beginnt das neue Jahr mit einem weiteren Notfallfahrplan: Auf den meisten Linien verkehren die Züge nur noch im 20-Minuten-Takt, auf einigen Außenstrecken wurde der Betrieb ganz eingestellt. So fahren unter anderem zwischen Strausberg und Strausberg-Nord, sowie zwischen Wartenberg und Springpfuhl keine S-Bahnen mehr. An einigen Stellen wurden stattdessen Ersatzverkehre mit Bussen eingerichtet.
Nach Angaben des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) waren am Montag 247 Viertelzüge unterwegs. 247, das sei "etwas mehr als erwartet", sagt VBB-Sprecherin Elke Krokowski. Noch vor wenigen Tagen hatte die S-Bahn angekündigt, lediglich 200 Viertelzüge einzusetzen. Anfang Dezember waren es noch über 300. Damals hatte es sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, innerhalb einer Woche über 400 Züge auf die Schiene zu bringen. Normalbetrieb wäre auch das nicht: Vertraglich vereinbart ist der Einsatz von über 560 Zügen.
Als Ursache für den wiederholten Einbruch des S-Bahn-Betriebs führte das Tochter-Unternehmen der Deutschen Bahn erneut den Winter an. "Wir haben einen Wartungsrückstand, der abgearbeitet werden muss", erklärt ein Bahn-Sprecher. Das Problem liege vor allem darin, dass ein Zug, der gewartet oder repariert werden muss, nicht vereist sein darf. Bei Auftauzeiten von mehreren Stunden führe das zu Verzögerungen. "Die S-Bahn fährt derzeit nicht nach Fahrplan, sondern nach Wettervorhersage", kritisiert daher Krokowski.
Die S-Bahn hat unter anderem bei der BVG um Unterstützung gebeten, um die Ausfälle mit U-Bahnen und Bussen abzufangen. Seit Montag fahren daher mehr oder längere U-Bahnen unter anderem auf den Linien 5, 6, 7, 8 und 9. Auf den Linien 1 und 2 sollen bei Bedarf mehr Züge eingesetzt werden. Ab dem Wochenende soll außerdem der RB 10 bis Charlottenburg und ab der kommenden Woche der RE 13 über Jungfernheide bis zum Hauptbahnhof verlängert werden. Das soll die Züge auf der Stadtbahn entlasten.
Außerdem gibt es Schienenersatzverkehr zwischen Strausberg und Strausberg-Nord, sowie zwischen Hennigsdorf, Alt-Tegel und Wilhelmsruh - allerdings im 40- beziehungsweise 20-Minuten-Takt.
Seit den ersten Schneefällen des Winters Anfang Dezember fährt die S-Bahn nur noch mit reduziertem Zugangebot. Anfangs machte das Unternehmen in erster Linie eingeschneite Weichen für die Probleme verantwortlich. Dadurch hätten weniger Züge als geplant fahren können, in der Folge hätte sich ein Wartungsrückstand aufgebaut. Mittlerweile gehe es vor allem darum, den Rückstand abzubauen.
Nachdem die S-Bahn bei der BVG und weiteren Verkehrsverbänden Unterstützung angefragt hat, laufen erste Ersatzverkehre an (siehe Kasten). Doch auch hier gibt es Kritik. Der Berliner Fahrgastverband IGEB bezeichnete es als "ärgerlich und vollkommen unverständlich", dass auf der Stadtbahn und im Nord-Süd-Tunnel teilweise Lücken von 13 Minuten eingeplant seien. "Bei so großen Lücken dauert das Ein- und Aussteigen so lange, dass es weitere Verzögerungen gibt", erklärt Jens Wieseke, stellvertretender IGEB-Vorsitzender.
Laut Krokowksi könnte das Auftau-Problem durch Reservezüge gelöst werden. Doch dass die S-Bahn derzeit nicht in zusätzliche Züge investieren mag, liegt auf der Hand: Der Verkehrsvertrag mit dem Land Berlin läuft 2017 aus - wie es danach weitergeht ist unklar. Bestellt die S-Bahn jetzt neue Züge, werden sie womöglich dann geliefert, wenn das Unternehmen gerade eine Ausschreibung für den Betrieb der Berliner S-Bahn verloren hat. Unter anderem die Grünen fordern daher, dass der Senat selbst in Züge investiert. Das hätte den Vorteil, dass der Gewinner einer Ausschreibung die Züge direkt vom Land leihen könnte.
Die Entscheidung über eine Ausschreibung liegt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Und die lässt sich Zeit. "In der ersten Jahreshälfte" werde man über das weitere Verfahren entscheiden, so Sprecher Mathias Gille. Im Dezember war noch von einem Entschluss bis zum Jahresende die Rede, doch laut Gille gibt es keinen Grund zur Eile. Die Frist über eine Vorankündigung der Ausschreibung laufe nicht vor der zweiten Jahreshälfte ab.
Zunächst erwartet die Verkehrssenatorin jedoch einen Plan von DB und S-Bahn, wie sie in Zukunft einen stabilen Nahverkehr sicherstellen wollen. Den Unternehmen hatte sie eine Frist bis 5. Januar gesetzt. Ein Sprecher der S-Bahn erklärte am Montag, die Frist werde eingehalten. Wann wieder auf sämtlichen Linien Züge fahren, sei dagegen derzeit noch nicht absehbar.
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