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„Verkaufen ist Strohfeuer“

■ Interview mit Rolf Fritsch, Chef der Hamburger Gewerkschaft ÖTV, über Sparpläne, Privatisierung und Proporz-Senatoren

taz: Die rotgraue Koalition will im öffentlichen Dienst kräftig sparen. Strukturreform, Verkauf städtischer Unternehmen, Stellenabbau. Spielt die ÖTV mit?

Rolf Fritsch: Wir haben überhaupt nichts gegen Reformen im öffentlichen Dienst. Im Gegenteil, die fordern wir seit Jahren.

Auch nichts gegen den damit verbundenen Stellenabbau?

Die Stellenausstattung muß man immer an den Aufgaben messen, die der öffentliche Dienst hat. Und da werden in den kommenden Jahren eher welche dazukommen. Zum Beispiel in den sozial- und gesundheitspflegerischen Berufen. Ich glaube nicht, daß es insgesamt zu einem Stellenabbau kommen wird. Zu Umschichtungen ja, das ist keine Frage.

Die Statt Partei will nicht nur reformieren, sondern auch privatisieren. Der Finanzsenator hat ähnliches angedeutet. Welches städtische Silber würden sie verkaufen? Landesbank? HEW? HHLA?

Keine. Verkaufen hat ja immer einen Strohfeuereffekt. Einmalige Einnahmen ...

Genau die braucht der Senat jetzt.

Der Senat hätte die Kraft und die Klugheit aufbringen müssen, in besseren Zeiten Rücklagen anzusammeln. Gerade in Krisenzeiten muß ich mir die Instrumente zur politischen Steuerung erhalten. Ich kann keine Standort- und Strukturpolitik machen, wenn ich die Landesbank verkaufe; ich kann keine Energiepolitik machen, wenn ich weitere HEW-Anteile verkaufe; und ich habe auf den Wettbewerb im Hafen keinen Einfluß mehr, wenn ich die HHLA verkaufe.

Was schlagen Sie statt dessen vor?

Was wir mitmachen werden, sind zum Beispiel Reformen der Verwaltungsabläufe, eine dezentrale und betriebsnahe Tarifpolitik und die Verselbständigung von Betriebseinheiten, wenn und soweit sie politisch gesteuert und kontrolliert werden. Das betrifft nicht nur Stadtreinigung oder Stadtentwässerung.

Sondern auch?

Ich will jetzt keine weiteren Bereiche nennen. So eine Diskussion braucht einen gewissen Vorlauf, in dem man mit den Betroffenen spricht. Aber wir machen das alles mit. Ich sehe aber im Augenblick nicht, daß der Senat bei so verstandenen Reformen in die Puschen kommt.

Woran hapert's?

Die Hemmungen innerhalb des politischen Systems sind in Hamburg besonders ausgeprägt. Die Beschäftigten, insbesondere die Verwaltungsspitzen, freuen sich ja heutzutage schon, wenn sich ein Senator in seinem Zuständigkeitsbereich auskennt und dazu auch noch präsent ist. Die wandern doch unter Umständen durch drei oder vier Behörden, weil sie nach dem parteiinternen Proporz Senator sein müssen. Und wenn sie dann als Senator ausscheiden, dann gibt's mindestens einen Bundestagswahlkreis als Entschädigung.

Ihre kurzfristigen Spar- und Einnahmevorschläge vermissen wir immer noch.

Es geht doch in Wirklichkeit nicht um punktuelle Sparmaßnahmen. Es geht um die mittel- und langfristige Beseitigung des strukturellen Defizits. Auch Herr Wegner von der Statt Partei wird sich noch in diesem Jahr mit dem Gedanken anfreunden müssen, daß der Betriebshaushalt mit Krediten ausgeglichen werden muß. Das ist in Krisenzeiten verfassungsrechtlich möglich. Und die haben wir ja wohl. Nur muß man gleichzeitig dringend strukturelle Reformen in Gang setzen, damit es in absehbarer Zeit überflüssig wird, diese unbestritten problematischen Kredite aufzunehmen. Meine Sorge ist, daß wir doch nur wieder jahrelang über die notwendigen strukturellen Reformen diskutieren.

Fragen: Uli Exner

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