: Verkauf der Leuna-Werke
■ Unendliche Geschichte des Chemiegiganten/ Er geht nur im Ganzen weg/ Massenarbeitslosigkeit/ 8.000 Entlasssungen bis Ende 1993 angedroht
Leuna. Die von der Treuhand beauftragte Investmentbank Goldmann und Sachs erwartet, bis zum Jahresende ernsthafte Interessenten für den ostdeutschen Chemiestandort Leuna gefunden zu haben. Bankvertreter Wolfgang Sietz sagte am Montag bei einem Besuch der Leuna-Werke, sein Haus werde in den nächsten vier Wochen mit verschiedensten Investoren „Diskussionen zur Präzisierung von Interessen in der Chemie“ führen und rechne bis zum Ende des Jahres mit ernsthaften Verhandlungen. Das Interesse ausländischer Investoren sei größer als in der Öffentlichkeit bekannt.
Nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden der Werke, Jürgen Daßler, werde über die künftige Struktur des Unternehmens beraten. „Ich halte nichts von Filetstückpolitik, wobei die besten Produktionslinien herausgenommen und verkauft werden.“ Treuhandvorstandsmitglied Klaus Schucht hofft, mit Hilfe der Bank einen Investor für das gesamte Chemieunternehmen in Leuna zu finden oder den ganzen Komplex gleichzeitig an mehrere Interessenten verkaufen zu können.
Hierbei müsse auch die Verbindung zur Petrochemie in Schwedt hergestellt werden, um Investoren einen zusätzlichen Anreiz zu geben. „Goldmann und Sachs wurde von uns auch beauftragt, für Schwedt tätig zu werden, da Leuna auch von der Mineralölseite abgesichert sein muß“, sagte Schucht. „Uns ist jeder Käufer recht, der ein schlüssiges Konzept vorlegen kann, mit dem ein Unternehmen überleben kann“, sagte Treuhand-Sprecher Franz Wauschkuhn auf der Achema, der Unternehmerbörse am Montag. Der Preis sei für einen Kaufabschluß keineswegs das entscheidende Kriterium.
Von den usprünglich 27.000 Mitarbeitern in Leuna sind zur Zeit nach Daßlers Angaben noch 20.000 beschäftigt. Ende 1993 würden es noch etwa 12.000 sein. Bisher seien mehr als 50 Produktionsanlagen stillgelegt, was für das Unternehmen einen Verlust von 400 Millionen Mark bedeutet habe. Daßler zufolge wird Leuna mit Hilfe eines Kredits über 250 Millionen Mark noch in diesem Jahr mit dem Bau einer von insgesamt fünf neuen Produktionsanlagen beginnen. Der Umsatz liege zur Zeit bei zwei Milliarden Mark jährlich und solle in den nächsten drei Jahren um etwa 16 Prozent steigen. ap
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