Verhörpraxis der USA: 183 mal mit Wasser gefoltert
Neue Details über die Verhörmethoden des US-Geheimdienstes CIA: Die Regierung soll in einem Papier festhalten, wie oft einzelne Häftlinge mit simuliertem Ertränken misshandelt wurden.

Am Montag veröffentlichte die New York Times erstmals präzise Zahlen, wie oft zwei Guantánamo-Häftlinge, Abu Zubayda und Khalid Sheikh Mohammed, der Folter des "Waterboardings", des simulierten Ertränkens, unterzogen wurden. Im Fall des Gefangenen Zubayda geschah dies im August 2002 83-mal, im Fall von Mohammed, der sich selbst mittlerweile als Planungschef des Attentats gegen die Twin Towers vom 11. September 2001 bezeichnet hat, wurde diese Verhörmethode im März 2003 insgesamt 183-mal angewendet.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Wassermenge, in die bei zugehaltenem Mund und Nase die Folteropfer eingetaucht wurden, weit größer war als bislang eingeräumt, und dass die Blockade der Atmungsorgane länger dauerte als die bislang eingestandenen jeweils 35 Sekunden.
Die Informationen waren Bestandteil eines der "Memos", die Juristen im Auftrag des Justizministeriums zur Rechtfertigung der Folter in den Jahren 2002 bis 2005 verfasst hatten und letzte Woche auf Weisung von Präsident Obama veröffentlicht wurden. Vor dieser Bekanntmachung waren in diesen Dokumenten eine Reihe von Informationen geschwärzt, so auch die Zahlenangaben über das "Waterboarding". Das traf auch für die ins Internet gestellte Version zu, auf die sich die taz in ihrem Bericht vom 18. April bezogen hat. Die Schwärzung erfolgte aber nicht in allen Kopien. Im Blog Empty Wheel wurde dann die Version veröffentlicht, auf der diese Passage noch lesbar war.
CIA-Direktor Michael V. Hayden, der das Amt in den beiden letzten Jahren der Bush-Regierung bekleidete, hat sich gegen die Veröffentlichung dieser Passage gewandt, da er sie nach wie vor für "klassifiziert" hielt, also der Geheimhaltung unterliegend. Wie überhaupt die Führung der CIA sich bis zuletzt gegen die Veröffentlichung der "Memos" gestemmt hat.
Die illegalen Verhörpraktiken der CIA waren zum Teil auf der Basis von Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge durch das Rote Kreuz bekannt gemacht worden, jetzt aber sind sie amtlich. Amerikanische Verfassungsjuristen sind überwiegend der Meinung, dass die inkriminierten Verhörmethoden, insbesondere das "Waterboarding", als Folter zu charakterisieren seien. CIA-Direktor Holder schloss sich nach Obamas Wahlsieg im Januar dieser Rechtsauffassung an: "Waterboarding ist Folter". Er erklärte, dass amerikanische Soldaten, die Waterboarding in Vietnam praktiziert hätten, gerichtlich verfolgt wurden.
Obamas Ankündigung, die CIA-Folterer außer Strafverfolgung zu stellen, ist in den USA auf ein geteiltes Echo gestoßen. Auf der einen Seite verweisen die Rechtsexpereten auf die Schwierigkeit, den "guten Glauben" an die Richtigkeit der damaligen Rechtsgutachten aus dem Justizministerium zu widerlegen. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Rechtsgutachter und weiter bis hinauf zur US-Regierung wird nicht erwogen. Andererseits erklären Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, "dass gegen die Prinzipien des Strafrechts verstoße, wenn der Generalstaatsanwalt" (nach US-Recht der Justizminister) "sagt, es liege ein ernstes Verbrechen vor - und dann geschieht gar nichts".
Aus dem US-amerikanischen Kongress ist mittlerweile der Vorschlag gekommen, für die Folterungen eine Wahrheitskommission einzurichten, wo die Beschuldigten gegen die Zusicherung der Straffreiheit aussagen würden. Diesem Vorschlag hat Präsident Obama umgehend widersprochen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf