Verheerende Brände in Algerien: Dutzende vom Feuer verschluckt
Brände verwüsten den Norden Algeriens, mindestens 65 Menschen sterben. Die Regierung macht ausschließlich kriminelle Brandstifter verantwortlich.
Nordafrika erlebt aktuell extreme Hitze, mit Tagestemperaturen von bis zu 46 Grad Celcius in Algerien und sogar 49 Grad in Tunesiens Hauptstadt Tunis. Zusammen mit Trockenheit und Wind ist das eine ideale Voraussetzung für Feuerkatastrophen. Seit Montag brennen Wälder und Gebüsch in insgesamt 17 Landkreisen Algeriens. War die Zahl der aktiven Brände zwischen Dienstagabend und Mittwochmorgen von 99 auf 69 gefallen, stieg sie bis zum Mittag erneut auf 86, berichteten Medien unter Berufung auf die nationale Waldbehörde.
Ausgangspunkt ist der Landkreis Tizi Ouzou. Fotos zeigen über der größten Stadt der Kabylei Flammen und dichte Rauchwolken, die aus den locker bewaldeten Hügeln ringsum aufsteigen. Allein hier kamen bisher 17 Menschen ums Leben. Viele Dörfer im Umland sind abgebrannt, ihre Bewohner haben sich in die Stadt geflüchtet, oft unter Lebensgefahr.
Lokale Medien berichten von unzähligen Dramen in von Bränden eingekesselten Dörfern: ein Mädchen, das bei der Evakuierung vom offenen Lastwagen ins Feuer fiel; ein Junge, der noch versuchte, das Vieh der Familie zusammenzutreiben, aber nicht mehr zurückkam. Bei der Evakuierung gefährdeter Menschen starben allein am Dienstag 28 Soldaten in den Landkreisen Tizi Ouzou und Bejaia, wie die Behörden am Mittwoch bekanntgaben.
Mit Kriegsmetaphern gegen das Feuer
„Wie im Krieg“ sei das, werden Fliehende zitiert. Die Menschen in der Kabylei erinnern sich noch gut an den Bürgerkrieg zwischen Armee und islamistischen Terrorgruppen in den 1990er Jahren und an den Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich in den 1950er Jahren. „Die Ältesten versichern, dass sie so etwas seit dem Befreiungskrieg und den Napalm-Bombardierungen der Dörfer durch die Kolonialarmee nicht mehr gesehen haben“, schreibt das Onlinemedium TSA (Tout sur l’Algérie).
Metaphern eines Krieges, der alle Algerier gegen den Feind vereine, dominieren auch die offiziellen Stellungnahmen. Präsident Abdelmadjid Tebboune schrieb auf Twitter, das Land werde „siegreich wie in der Vergangenheit“ aus der „schweren Prüfung“ hervorgehen. In der Zeitung L’Expression schrieb der Kommentator Said Boucetta, die Feuer seien ein „feindseliger Akt gegen Algerien“. Er zeigt sich überzeugt, dass ausschließlich Brandstiftung die Ursache sei, da unter natürlichen Umständen nie so viele Feuer gleichzeitig ausbrechen könnten.
Premierminister Aïmene Benabderrahmane verbreitete bereits am Dienstagabend diese Sicht der Dinge im Staatsfernsehen: „Erste Indizien deuten darauf hin, dass es sich um kriminelle Feuer handelt“, sagte er und nannte die Brandstifter „Feinde der Natur und des Vaterlandes“. Der Staatsrundfunk meldete am Dienstag die Festnahme von vier „Pyromanen“ in Médéa und Annaba.
Die miserable Ausstattung der Feuerwehr tritt dabei in den Hintergrund. Berichten zufolge sind in Algerien keine Löschflugzeuge im Einsatz, sondern lediglich sechs Hubschrauber. Ansonsten ist die Bekämpfung Sache der Kreisfeuerwehren. In sozialen Netzwerken fehlt es nicht an Hinweisen, dass es in Algerien zwar jede Menge Wasserwerfer zum Einsatz gegen Demonstranten gibt, aber nicht genug Löschfahrzeuge zum Einsatz gegen Brände.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!