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Verhandlungen in KarlsruheIm Eilverfahren gegen Ceta

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute über mehrere Anträge gegen das EU-Handelsabkommen mit Kanada. Die Kläger wollen das Inkrafttreten verhindern.

An Bedingungen gefesselt: die Angst der Ceta-Gegner Foto: ap

KARLSRUHE dpa | Im Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht versuchen die Gegner von Ceta am Mittwoch, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada auf den letzten Metern aufzuhalten. Die Kläger wollen erreichen, dass die Karlsruher Richter die Bundesregierung verpflichten, bei den entscheidenden Abstimmungen im EU-Ministerrat am 18. Oktober mit Nein zu stimmen. Andernfalls würde das Abkommen Ende des Monats unterzeichnet werden und nach Zustimmung des EU-Parlaments bereits in weiten Teilen in Kraft treten.

Nach Auffassung der Kläger werden so Fakten geschaffen, noch bevor der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten Ceta zugestimmt haben. „Die Bundesregierung und die EU haben sich von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, dieses Abkommen durchzusetzen – auch gegen den Willen der Bürger. Und das wird jetzt durchgezogen“, sagte Linksfraktionsvize Klaus Ernst der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe. Die Linke-Abgeordneten im Bundestag wehren sich dagegen mit einer Verfassungsbeschwerde und einer Organklage.

Für die Bundesregierung will Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) das Ceta-Abkommen in der kurzfristig anberaumten Verhandlung verteidigen. Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle will direkt nach der Verhandlung über die Eilanträge beraten und am Donnerstag um 10.00 Uhr sein Urteil verkünden.

Dabei klären die Verfassungsrichter zunächst nur, ob durch die vorläufige Anwendung von Ceta nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden. Im Einzelnen wird über die insgesamt fünf Klagen erst später verhandelt – es sei denn, das Gericht erklärt sie direkt für unzulässig oder offensichtlich unbegründet. (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.)

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat mit den Vereinen Campact und Mehr Demokratie mehr als 125.000 Mitkläger mobilisiert. Noch nie haben so viele Bürger gemeinsam in Karlsruhe geklagt. „Durch die vorläufige Anwendung werden endgültige Fakten geschaffen“, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode der dpa. So würden etwa Entscheidungsbefugnisse auf nur unzureichend legitimierte Ausschüsse übertragen, deren Beschlüsse nicht rückgängig zu machen seien.

Die Ceta-Gegner sehen auch den Umwelt- und Verbraucherschutz in der EU in Gefahr. Die Bundesregierung erhofft sich von dem Handelsraum fast ohne Zölle wirtschaftliche Impulse und neue Absatzmärkte.

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6 Kommentare

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  • Die Frage wird sein, ob die vorläufige in Kraft-Setzung eine Wirkung hat, die nach einem späteren negativen Urteil nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Gerade die Klagerechte der Unternehmen wirken fort, selbst wenn das Abkommen aufgekündigt oder aufgehoben würde. Aus diesem - und wohl nur aus diesem - Grund dürfte der einstweilige Rechtschutz in Karlsruhe eine Chance auf Erfolg haben. Allerdings scheuen sich die Bundesverfassungsrichter_innen in einen offenen Konflikt mit der EU zu gehen. Dieser Kampf könnte nicht nur die Glaubwürdigkeit der Justiz beeinträchtigen, sondern das Bundesverfassungsgericht würde vermutlich auch in seinen Kompetenzen reduziert daraus hervor gehen. Daher sucht das Bundesverfassungsgericht händeringend nach "Ja-aber" Auswegen. Ja, wir (das Bundesverfassungsgericht) sind wichtig und wir über auch Kritik an den Vorhaben der EU. Im konkreten Fall ist aber nie eine rote Linie überschritten, so dass eine Eskalation des Konfliktes ausbleibt. So dürfte es leider vermutlich auch diesmal ausgehen.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Ihre Analyse teile ich so nicht. Immerhin ist unsere Justiz nicht wie in der Türkei, in Ungarn oder in Polen bedroht, da sie immer noch hochgeschätzt ist. Die EU dagegen hat sehr zu kämpfen mit ihren autoritären Entscheidungen.

      Da Gabriel weder nachweisen kann, daß dieses Abkommen für Deutschland und die EU notwendig ist, um den jetzigen guten Zustand der Wirtschaft zu erhalten und die Umweltbilanz für eine zusätzliche 23-prozentige Erhöhung des Warenverkehrs über den Atlantik eine wahrhaftige Katastrophe wäre, die sämtliche zukünftigen Klimakonferenzen ad absurdum führen würde, denke ich, daß das Gericht dieses Machwerk aus einer anderen und vergangenen Zeit so nicht durchwinken wird. Kapitalismus steht nicht an seinem Beginn, sondern an seinem Ende.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Den Nachweis muss Gabriel vor Gericht gar nicht führen. Ob das Abkommen "notwendig" ist, ist kein Kriterium bei der juristischen Beurteilung des Abkommens - weder bei der Frage des einstweiligen Rechtschutzes noch im Hauptsacheverfahren.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Fiktive Frage in Karlsruhe an Herrn Gabriel (in Zeiten trüber Aussichten für das Klima der Erde):

    Herr Gabriel, wie sieht die Klimabilanz aus, wenn nun mit CETA zusätzlich über 4000 - 6000 km Entfernung zusätzliche Warenströme und Dienstleistungen stattfinden sollen, in einem Umfang, den Sie als wesentlich bezeichnen?

    Gabriel fiktiv: Das haben wir nicht durchgerechnet. Erstmal muss CETA installiert sein, dann kann man eventuell über solche Randthemen sprechen.

    Gericht fiktiv: Danke Herr Gabriel. Sie können sich wieder setzen.

  • Vor Gericht & auf hoher See -

    kurz - Massel tov!

  • Nichts ist gefährlicher als eine schlecht vorbereitete Klage und entsprechendes bestätigendes Fallrecht.