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Verhandlungen als Therapie

■ Nach der qualvollen Entscheidung der SPD: Grüne setzen „Schwerpunkte“ gegen Henning Voscheraus „Essentials“ / Von Uli Exner

GALierin Krista Sager und Unions-Christ Ole von Beust waren sich ausgesprochen einig: Als „einmaligen Vorgang“, als „echte Premiere“ bewerteten die beiden Fraktionvorsitzenden gestern unisono die Entscheidung des SPD-Landesvorstands, mit einem demonstrativ koalitionsunwilligen Bürgermeister in rotgrüne Verhandlungen einzutreten.

Weiter trug die Gemeinsamkeit, den Rollen ihrer Parteien gemäß, allerdings nicht. Während Oppositionspolitiker von Beust einen „Linksrutsch“ der SPD mit dazugehöriger „Wählerenttäuschung“ und „tragischer Gallionsfigur Voscherau“ ortete und der Stadt finster eine „Periode der Unsicherheit“ prophezeite, übte Sager in trauter Eintracht mit Martin Schmidt, Andreas Bachmann und Thomas Littmann schon mal den Part der coolen Verhandlungspartnerin.

Ein paar Sticheleien in Richtung SPD: „Pädagogische und therapeutische Maßnahmen“ würden ja wohl nötig sein. Ein bißchen die Muskeln spielen lassen: „Wir werden über alles verhandeln, uns aber nichts diktieren lassen“. Gegen-Essentials zu Voscherau?

Ach nö, die Zeiten sind vorbei. „Fundamentalistische Taktiererei halten wir nicht für sinnvoll“, sagt GAL-Vorständler Thomas Littmann und zählt statt dessen Verhandlungs-“Schwerpunkte“ auf, die sich in den beiden Sondierungsgesprächen als konfliktträchtig abgezeichnet haben.

Als da wären (garantiert ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Wirtschaftspolitik: Statt staatlicher Investitionen in wenige Großprojekte (Hafenerweiterung) kleinteilige Strukturförderung zugunsten kleiner und mittelständischer Betriebe. Programmiert sind auf diesem Gebiet heftige Auseinandersetzungen nicht nur mit dem rechten SPD-Flügel, sondern auch mit rotgrün-freundlichen Gewerkschaftsvertretern in der SPD.

Verkehrspolitik: Abkehr von der Pro-Auto-Politik. Investitionen nicht in die vierte Elbtunnelröhre stopfen, sondern zum Beispiel in die Straßenbahn. Klarer Dissens. Problem der SPD: Grüne Position näher am SPD-Programm als die Sozialdemokraten selbst.

Ausländerpolitik: Unterschiedliche Einschätzungen der Hamburger Handlungsspielräume bei der Abschiebung.

Wohnungsbau: Verhandlungsproblem wird nach Einschätzung der GAL nicht die Zahl der zu bauenden Wohnungen sein, sondern die einzelnen Flächen. Sie sollen einzeln geprüft werden.

Hafenstraße: Voscherau hat in den Sondierungsgesprächen den Vorschlag gemacht, die Bürgerschaft entscheiden zu lassen und hat sich damit schon ein Stück aus seinem Rechtsweg-Schützengraben hervorgewagt. Grüne Devise (und damit doch ein Gegen-Essential): Keine Räumung bei grüner Regierungsbeteiligung.

Energiepolitik: Atomausstieg nicht auf die lange Bank schieben. Einflußmöglichkeit der Stadt als HEW-Eigner nutzen. Problem: der zweite Anteilseigner, Preußen Elektra, sperrt sich heftig.

Arbeitsmarktpolitik: GAL fordert mehr Mittel aus dem Stadthaushalt als die SPD ausgeben will.

Finanzpolitik: Große Löcher im Haushalt sehen beide. Die Frage, wie stopfen, kann keiner richtig beantworten.

Abfallpolitik: Problem der GAL. Sie fordert sowohl den Ausstieg aus Schönberg als auch den Verzicht auf weitere Müllverbrennungsanlagen. Ihr Lösungsvorschlag, Deponierung nach biomechanischer Behandlung, hat einen Haken. Es gibt bisher keine Fläche.

Beginn der Verhandlungen wird voraussichtlich Ende dieser Woche sein. Bis dahin will auch Henning Voscherau der GAL seine „Essentials“ vorgelegt haben. Dauer der Verhandlungen nach GAL-Schätzung mindestens drei Wochen.

Mehr zum Koalitionspoker auf den Seiten 4, 10 und 22.

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