Verhalten bei Gewitter: Wenn dich der Blitz trifft
Dass sich Blitzeinschläge auch über den Boden ausbreiten können, wusste ich nicht – bis ich während eines Gewitters barfuss im regennassen Beet stand.
W eil in den vergangenen Wochen zwei Teenager nach Blitzeinschlägen gestorben sind, verbreiten Medien Tipps, wie man sich bei Gewitter verhalten soll. Ich stelle fest, dass ich immer noch keine Ahnung habe. Nicht ins Wasser gehen, klar. Aber sonst? Gemerkt hatte ich mir nach dem Blitzeinschlag vor sechs Jahren nur: Stell dich bei Gewitter nicht barfuß in regennasse Beete.
Ich bin vom Blitz getroffen worden, ja, aber nicht spektakulär von oben, sondern von unten, nachdem ein paar Meter weiter – ich weiß nicht, wie viele – der Blitz in irgendetwas eingeschlagen war und sich über den Boden ausgebreitet hatte. Dass das möglich ist, hatte ich bis dahin nicht gewusst. Der Knall soll gewaltig gewesen sein, sagten mir andere, die dabei waren, drinnen im Haus. Ich habe nichts gehört, weil ich in dem Moment mit dem beschäftigt war, was in meinem Körper vor sich ging.
Es tat weh, aber mir ist nichts passiert, gar nichts. Mein Glück war wahrscheinlich, dass meine Füße zufällig recht nahe zusammen standen, so dass die elektrische Spannung nicht einmal durch meinen Körper hindurch musste, um sich zu entladen. Das geschah zwischen meinen Fußknöcheln, ich habe sie gesehen. Kleine helle Blitze, wie Wunderkerzen.
Den Schmerz spürte ich bis ins Knie, ich nehme an, er war doll, aber wie doll, kann ich nicht beschreiben. Ich war, wie gesagt, sehr im Moment in dem Moment. Die Kurklinik, in der ich mich damals aufhielt, schickte mich mit dem Rettungswagen in die Notaufnahme des Kreis-Krankenhauses, wo mein Herzschlag über Nacht überwacht werden sollte. Dass meinem Herzen nichts passiert sein konnte, weil der Strom es gar nicht so weit nach oben geschafft hatte und ich lieber in Ruhe schlafen wollte, interessierte den diensthabenden Arzt nicht. „Ich höre Sie“, sagte er, ein Psychologe, und „ich will, dass Sie ans EKG kommen“.
Der Sanitäter im Rettungswagen erzählte mir, dass er schon einmal jemanden aus einem Zelt habe holen müssen, der den Blitzschlag nicht überlebt hatte. Auch das habe ich mir gemerkt: Raus aus dem Zelt. Jetzt lese ich nach, dass man sich im Freien zudem hinhocken, aber auf keinen Fall hinlegen sollte.
Mein Aufenthalt in der Notaufnahme der niedersächsischen Kreisstadt in der Lüneburger Heide war kurz und eindrücklich. Nazis beschimpften die Frau am Empfang, im Zimmer waren Blutspritzer auf dem Boden, gegenüber eine Frau mit Norovirus, und der Dienst des jungen Arztes aus dem Irak seit zwei Stunden zu Ende. Eigentlich hatte er auch schon gekündigt, erzählte er mir, aber der Geschäftsführer hatte ihn angefleht zu bleiben, es gab sonst niemanden. Nach wenigen Stunden und einem unauffälligen EKG entließ ich mich selbst.
Am nächsten Morgen blickte mich eine Patientin der Kurklinik entzückt an. Sie war ausgebildete Schamanin und sagte, in einem indigenen Volk gälte ich jetzt als auserwählt. Im Internet finde ich nicht viel dazu, nur, dass man sich wohl nicht mehr gegen den Ruf der Ahnen wehren kann, fortan als spirituelle Heilerin zu wirken, wenn man dreimal einen Blitzeinschlag überlebt hat.
Nein, danke, das eine Mal hat mir gereicht. Ich habe eine grobe Vorstellung, wie es sein muss, wenn die Spannung einmal durch den ganzen Körper jagt. Und wie hoch die Überlebenschancen dann sind. Also studiere ich die Verhaltenstipps: Im Freien Bäume meiden, lieber die Nähe von Metallmasten (mindestens drei Meter hoch) suchen, sie aber nicht berühren und einen Abstand von mindestens einem Meter wahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Plädoyer im Prozess zu Polizeigewalt
Tödliche Schüsse, geringe Strafforderung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen