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Verhaftung von Ratko MladicIn einer Woche nach Den Haag

Der serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic präsentierte sich als alter, kranker Mann. Die Staatsanwaltschaft nimmt ihm das nicht ab. Das Gericht erlaubt die Überstellung ans UN-Tribunal.

In diesem Haus in Lazarevo wurde Ratko Mladic verhaftet. Bild: reuters

BELGRAD dpa | Der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic ist an diesem Freitag erneut vor dem Untersuchungsrichter in Belgrad erscheinen. Das Gericht erlaubt die Überstellung Mladics an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Der 69-jährige sei in der Verfassung, vor Gericht gestellt zu werden, sagte eine Richterin am Freitag vor Journalisten in Belgrad. Die Auslieferung werde "spätestens in sieben Tagen" über die Bühne gehen.

Eine erste Vernehmung war am Donnerstagabend abgebrochen worden, weil sich der Ex-Militärchef der bosnischen Serben als schwacher, kranker Mann präsentierte, der sich kaum mitteilen kann. Vor Gericht soll er sich zur Anklage des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag äußern.

Staatsanwalt Vekaric widersprach Augenzeugen, die Mladic als demenzkranken alten Mann mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit dargestellt hatten. Die angebliche Gebrechlichkeit sei nur Teil seiner Verteidigungstaktik, so der Behördensprecher. Er habe Mladic als Mann erlebt, der seine Lage sehr wohl einschätzen und am Verfahren teilnehmen könne.

Mladic, dem tausendfacher Mord vorgeworfen wird, war am Donnerstag auf einem Bauernhof im Norden Serbiens gefasst worden. Nach serbischen Presseberichten wurde Mladic von den Einsatzkräften im Schlaf überrascht. Der Ex-General sei am Donnerstagmorgen "aus dem Bett heraus verhaftet" worden, berichteten die Zeitungen am Freitag. Seine angeblich umfangreiche Leibwache, die ihn bei einer Festnahme hätte erschießen sollen, sei weit und breit nicht in Sicht gewesen. Auch seien keine modernen Kommunikationsmittel wie Handy oder Laptop gefunden worden.

Bei dem Haus seines Onkels im Dorf Lazarevo - eine Autostunde nordwestlich von Belgrad - handele es sich um "ein typisches Bauernhaus", hieß es in den Presseberichten weiter. Das Gebäude sei in der Vergangenheit von den Sicherheitskräften mehrmals ohne Ergebnis durchsucht worden, Mladic sei erst vor zwei Wochen dort eingetroffen. Zuvor habe er sich in der Umgebung von Belgrad versteckt gehalten. Schon früher hatten die Verfolger herausgefunden, dass Mladic seine Verstecke in schneller Folge wechselte.

Auf aktuellen Fotos sei Mladic nicht wiederzuerkennen, berichteten Medien in Belgrad weiter. Sie veröffentlichten Porträts des Ex- Generals, auf denen er abgemagert und mit schütterem Haar erscheint. Er zeige zudem starke Demenzerscheinungen, berichteten die Zeitungen. Sein rechter Arm sei nach einem Schlaganfall steif geblieben. Auf anderen Fotos, die zehn Jahre alt sind, ist Mladic noch als fülliger, vitaler Mann zu sehen.

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3 Kommentare

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  • BG
    Bernd Goldammer

    Ist die Bombardierung von Tripolis vom UNO Mandat gedeckt? Nein! Was ist dies dann anderes als ein Kriegsverbrechen? Was ist, wenn mit eingestandenen Lügen Kriege vom Zaun gebrochen werden, die Millionen Zivilisten vernichten und dazu noch viele, durch US- Munition radioaktiv verseuchte, Schlachtfelder ihrem Schicksal überlassen? Das ICTY mag ja vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegründet worden sein. Daran welche Kriegsverbrechen es verfolgt und welche nicht,erkennt man doch klar welche Staaten das ICTY lenken. Nur weil man sich sicher ist, dass diese Verbrechen nicht geahndet werden, bombardiert man die libysche Zivilbevölkerung.Jedes ICTY Urteil wird schon deshalb mit größter Vorsicht zu behandeln sein. Oder wurden schon Ermittlungen gegen Bush und Blair eingeleitet? Sachlichkeit bedeutet doch dass alles auf den Tisch kommt. Oder?

  • S
    suo

    @ Goldammer - Warum Sie die al-Gaddafi zurechenbare Menschenrechtslage in Libyen ansprechen, aber statt ihm die NATO-Soldaten vor ein Gericht zerren wollen, wird wohl Ihr Geheimnis bleiben.

     

    Abgesehen davon, warum geht es bei der Verurteilung von Ratko Mladic um eine Machtdemonstration des Westens? Das ICTY wurde vom Sicherheitsrat der VN gegründet.

     

    Nix für ungut, aber ein wenig Sachlichkeit wäre ganz nett.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Jetzt brauchen wir nur noch Sakaschwilli, wegen des Terrors in Südossetien und Bush nebst seinem britschen Schoßhündchen Blair wegen der erlogenen Kriegsgründe beim Irak Terror festnehmen. Schließlich starben dabei über eine Million Iraker! Es wird den, so typisch gewordenen, TAZ Zynismus erheitern: aber auch die fliegenden Menschenschlächter und Völkerrechtsverletzer der US- NATO in Libyen müssen baldmöglichst zur Verantwortung gezogen werden. Erst dann wäre die Welt ein kleinwenig gerechter. Denn es gibt nur ein Menschenrecht und das kann nicht nach jeweiliger Interessenlage ausgelegt werden. Die Verurteilung von Ratko Mladic allein würde nur eine zynische Machtdemonstration des Westens bedeuten. Das Recht des Stärkeren würde zur Schau gestellt werden. Niedlich, nicht...?