Vergleichsstudie in 23 EU-Ländern: Deutschlands exklusive Unis
Eine Vergleichsstudie zeigt: In fast keinem anderen EU-Land schaffen es so wenige Arbeiterkinder an die Unis wie in Deutschland. Auch Studierende mit Kind sind eine Seltenheit.
BERLIN taz Deutschlands Studierende stammen im europaweiten Vergleich äußerst selten aus Arbeiterfamilien und häufig aus Akademikerfamilien. Das geht aus Daten der bisher unveröffentlichten "Eurostudent"-Erhebung hervor, die der taz vorliegen.
Demnach sind nur 20,3 Prozent der Väter und 12,2 Prozent der Mütter der Studierenden in Deutschland Arbeiter beziehungsweise Arbeiterinnen. Nur in Österreich und Litauen ist die soziale Verzerrung hier größer. Im Gegensatz dazu haben in Deutschland 62,8 Prozent der Väter der Studierenden eine Hochschul- oder Fachhochschulbildung - in keinem der 23 Länder ist der Wert so hoch.
Wird dies allerdings mit der Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung in Verbindung gesetzt, relativiert sich das Ergebnis etwas. Dann sind in der Schweiz, Portugal und Rumänien Studierende aus Akademikerelternhäusern am deutlichsten überrepräsentiert. In Ländern wie Finnland oder den Niederlanden nähert sich die soziale Zusammensetzung der Studierenden dagegen am ehesten der Gesamtbevölkerung an.
Am Montag und am Dienstag trafen sich rund 100 Vertreter aus den Bildungsministerien und Hochschulforschungseinrichtungen der an der Untersuchung beteiligten Länder im slowenischen Ljubljana, um über Ergebnisse und Konsequenzen aus der inzwischen dritten und umfangreichsten "Eurostudent"-Erhebung zu diskutieren. Koordiniert wird sie vom Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover, finanziert von der Europäischen Kommission und dem Bundesbildungsministerium. Offiziell wird die "Eurostudent"-Studie erst im September veröffentlicht.
Aus den bisher vorliegenden Daten sind jedoch bereits einzelne bemerkenswerte Erkenntnisse zur sozialen Zusammensetzung der Studierenden abzulesen. So ist in keinem anderen der untersuchten Länder mit Ausnahme der Türkei und der Slowakei der Frauenanteil unter denn Studierenden so niedrig wie in Deutschland: 48,4 Prozent. Dies liegt vor allem am hohen Männeranteil an den Fachhochschulen (61 Prozent).
In Schweden sind die Frauen mit 64,5 Prozent deutlich in der Mehrheit. Der Anteil der Studierenden mit Kind liegt mit 5,5 Prozent in Deutschland im europäischen Mittelfeld. An der Spitze stehen Norwegen (21,7 Prozent) und Schweden (16,6 Prozent).
Die Studie räumt auch mit einigen Mythen über die deutschen Studierenden auf. So sind sie im europaweiten Vergleich mit durchschnittlich 24,6 Jahren keineswegs sonderlich alt. Und auch die Studiendauer fällt nicht aus dem Rahmen. Mit durchschnittlich 5,6 Jahren an den Universitäten gehören die Deutschen jedenfalls nicht zu den Bummelstudenten.
Hier scheint sich die Bologna-Reform, also die Umstellung auf die neuen, strafferen Bachelor- und Master-Studiengänge, auszuwirken. Vor drei Jahren bildete Deutschland in der damaligen Eurostudent-Erhebung mit 6,8 Jahren durchschnittlicher Studiendauer noch das Schlusslicht. Damals wurden elf europäische Staaten verglichen.
Auch das gängige Bild vom armen Studenten scheint nicht aufrecht zu halten zu sein - zumindest im statistischen Mittel. So verfügen die deutschen Studierenden mit 745 Euro über ein vergleichsweise hohes Einkommen. Nur sieben Länder, darunter Länder mit hohen
Lebenshaltungskosten wie England, Schweden und die Schweiz, liegen hier darüber.
Dennoch arbeiten die deutschen Studierenden im Vergleich häufig neben dem Studium. 65 Prozent verdienen sich etwas hinzu - so viele wie in kaum einem anderen Land. Allerdings liegt der durchschnittliche Arbeitsaufwand mit 7 Stunden pro Woche im unteren Drittel in Europa.
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