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Vergewaltigung im Berliner KitKat-ClubAwareness ist keine Moralpolizei

Kommentar von Lea Wolters

Im September 2024 wurde eine Frau im KitKat in Berlin vergewaltigt. Ein Jahr später äußert sich der Club. Das Statement fällt definitiv zu dürftig aus.

„Erschüttert“: Das KitKat in Berlin Foto: Imago/PEMAX

E r habe sie zu sich gezogen, sie geküsst, ihr Shirt hochgezogen und sei schließlich mit der Hand in sie eingedrungen – ohne ihre Zustimmung. So soll es im September 2024 im vermeintlich sexpositiven Kitkat Club in Mitte zu einer Vergewaltigung gekommen sein. Die taz berichtete.

Nun hat sich das Kitkat in einem Statement zu dem Fall geäußert – fast ein Jahr später. Darin beteuern die Clubbetreiber*innen, wie wichtig es ihnen sei, ein Safe Space zu sein, man sei „erschüttert“ über den Fall. Doch es drängt sich die Frage auf, wie ernst die Solidarität mit der Betroffenen gemeint sein kann, wenn über ein Jahr versäumt wurde, aktiv Kontakt zu ihr zu suchen?

Das Statement erweckt ohnehin den Eindruck, dass die Club­be­trei­be­r*in­nen vor allem wegen der externen Berichterstattung und Kritik reagieren. Wer schreibt: „Selbst wenn man mit Freunden unterwegs ist, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit“, zeigt keine Einsicht, sondern versucht, von jahrelang unzureichenden Awarenessstrukturen abzulenken und Verantwortung zu delegieren.

Es wirkt, als hätte das Kitkat die letzten 15 Jahre feministische Auseinandersetzung über Awarenesskonzepte verpasst. Man hätte bislang auf sichtbare Awarenessteams verzichtet, um nicht als „Moralpolizeistaat“ aufzutreten, heißt es im Statement. Und dann, beinahe trotzig: Man habe „nun aber verstanden, dass ein öffentlich sichtbares Awareness-Team für das Gefühl der eigenen Sicherheit bevorzugt wird“.

Nicht zum ersten Mal in der Kritik

Das Kitkat steht nicht zum ersten Mal in der Kritik, wenn es um unzureichenden Schutz vor sexualisierter Gewalt geht. Bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte von Gäst*innen, die sich im Club mit Erfahrungen von Grenzüberschreitungen alleingelassen fühlten.

Wie brüchig das Ideal eines vermeintlichen Safer Spaces ist, zeigte sich etwa 2023, als Rammstein-Sänger Till Lindemann trotz der gegen ihn erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs Zutritt zu dem Club erhielt. Auch damals reagierten die Clubbetreiber mit defensiven Erklärungen statt mit einer klaren Haltung: Lindemann sei schon häufiger da gewesen, kenne die Securities und es sei „nie etwas Fragwürdiges passiert“.

Sie räumten zwar ein, das Ganze sei „blöd gelaufen“, doch vielmehr erweckte das Statement den Eindruck, es sei „blöd gelaufen“, dass der Besuch Lindemanns an die Öffentlichkeit gelangte, als dass der Club es versäumte, den Schutz seiner Gäs­t*in­nen zu priorisieren und sich mit Betroffenen zu solidarisieren.

Dabei ist sichtbare Awareness kein störender Eingriff in die Clubatmosphäre – sie bietet Betroffenen bei Grenzüberschreitungen und Diskriminierung niedrigschwellige Unterstützung und sendet ein deutliches Signal sowohl an Betroffene als auch an potenzielle Täter*innen.

Kluft zwischen Selbstbild und Realität

Mit Versäumnissen bei angemessenen Awarenesskonzepten steht das Kitkat nicht allein da. Die Berliner Clubkultur gilt international als progressiv, inklusiv und politisch und als Schutzraum für marginalisierte Gruppen. Leider klaffen hierbei jedoch Selbstbild und Realität häufig auseinander. Türsteher*innen, Barpersonal oder selbsternannte Awarenessteams sind häufig nicht geschult, nicht erkennbar und in vielen Fällen gar nicht ansprechbar.

Consent Culture und Awareness sind mehr als ein Label – sie erfordern eine stetige, selbstkritische Auseinandersetzung und entsprechende Verantwortungsübernahme statt bloßer Symbolpolitik.

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