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Vergeßt mir den Rudi!

■ Vor 50 Jahren wurde die SPD neu gegründet

Es hätte alles so schön werden können. Die Sozialdemokraten feiern den 50. Geburtstag ihrer Wiedergründung nach dem Krieg in Berlin. Ingrid Stahmer, in Umfragen mit großen Vorsprung vor der CDU liegend, erhält die ultimative Unterstützung, um aus den Berliner Wahlen am 22. Oktober als Regierende Bürgermeisterin einer rot- grünen Koalition hervorzugehen. Die Troika aus Rudolf Scharping, Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine erlebt einen glänzenden Auftritt.

Die Bonner Regierungskoalition ist infolge des Überlebenskampfs der FDP und der ungeklärten Kohl-Nachfolge völlig aus dem Tritt. Hätte. Wäre. Könnte. So oder ähnlich, werden manche Sozialdemokraten am Wochenende gedacht haben, hätte es kommen können, wäre da nicht der unselige Personalstreit um Rudolf Scharping, die Angriffe Schröders, die Rücktritte von Jens und Voigt, der Rücktritt Verheugens ... Doch sie irren. Der Personalstreit in der Partei ist zwar auch ein Zeichen mangelnder Solidarität in der Führungsspitze. Doch Auslöser sind nicht Schröders Machtgeilheit oder Verheugens Arbeitsüberlastung, sondern fehlende inhaltliche Konzepte. Keine Antworten auf die auseinanderdriftende Wählerklientel. Eine verwaschene Oppositionspolitik, die sich zwischen Mitarbeit im Bundesrat und Ablehnung im Bundestag nicht entscheiden kann. Unklarheiten in zentralen politischen Feldern. Fehlender politischer Instinkt bei der nun gescheiterten Diäten-Regelung. Diese Fehler tragen einen Namen: Rudolf Scharping. Deshalb ist die Personaldiskussion völlig gerechtfertigt.

Ehrbar, aber hoffnungslos ist der Appell, diese Debatte um den Parteichef jetzt doch bitte schön einzustellen. Denn die Anlässe, die die Diskussion in Gang gebracht haben, bestehen weiter. Neue Niederlagen wie die Wahl in Berlin werden hinzukommen. Rudi Ratlos in die Wüste schicken? Natürlich ist ein Personalwechsel an der Spitze keine Sache, die man so nebenbei beim Frühstück beschließt. Natürlich wäre ein neuer Parteichef noch lange keine Garantie dafür, daß Konzepte und Inhalte tatsächlich diskutiert werden. Aber sicher ist: Mit dem beschädigten Parteichef wird diese Diskussion gar nicht erst in Gang kommen.

Denn so lange Scharping Parteichef bleibt, wird Scharping das Hauptthema der SPD bleiben. „Vergeßt mir den Rudi nicht“: Willy Brandts historisch nicht belegter Ausspruch bedarf einer kleinen Abwandlung. Lieber ein Ende für Rudi als ein Rudi ohne Ende! Klaus Hillenbrand

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