piwik no script img

Vergeigtes Erfolgsstück

■ Kammerspiele-Premiere von Donald Margulies' „Waxmann“

Die Erwartung des Rezensenten war groß: Nach diversen Musikprojekten mit Theater stand in den Kammerspielen endlich, endlich ein eben solches auf dem Programm. Mit Donald Margulies' Waxmann war ein Stück gefunden, das auf spannende Weise und mit raffinierter, zeitverschachtelter Dramaturgie drei Themenstränge verknüpft: Die Sinnfrage heutiger Kunst zwischen Vermarktung und Aussage, der alltägliche Antisemitismus und der Konflikt einer Dreiecksbeziehung: Jonathan Waxmann, amerikanischer Star des Kunstmarktes, besucht anläßlich seiner ersten europäischen Retrospektive seine Jugendliebe Patricia, die nach dem Schmerz dieser wohl bedrohlich-leidenschaftlichen in die sichere Langeweile einer Zweckehe geflüchtet ist. Ihr Ehemann Nick und eine deutsche Journalistin, greifen Waxmanns Kunst mit provozierenden Fragen an – nicht ohne Verweis auf seine jüdische Abstammung.

Mit Arie Zinger, bei Nagel und Zadek Oberspielleiter am Schauspielhaus, war ein versierter Regisseur ans Theater gekommen, darüberhinaus standen vier Schauspielprofis zur Verfügung – das Programmheft benennt stolz die vielen renommierten Stationen der vier Akteure.

Dennoch ist Waxmann einfach daneben geraten: In einer häßlich-kargen Bühne von Achim Römer verschanzt Zinger Figuren und Stück hinter inszenierten, aufgesetzten Bewegungen, überreizt artikuliertem Gerede und überflüssigen Gags.

Roland Renner überzeugt als Waxmann streckenweise, verliert sich aber oft in glatter Künstlichkeit. Emanuela von Frankenberg ist als Patricia leider eine Katastrophe: Mit einem unschlüssigen Wechsel von wütendem Geschrei, panischem Geflenne und aufgesetzter Fröhlichkeit spielt sie ein möglichst übertrieben-hysterisches Weib. Zwischendurch darf sie Kartoffelschalen über die Bühne werfen, den nassen Feudel schwingen und Wein verschütten. Der blasse Ehemann Nick (Andrea Zogg), der bei Angriffen gegen Waxmann zur Hochform läuft, ist dagegen eine Wohltat, wenn er nicht gerade eine kurze Lloyd-Webber-Einlage liefern muß. Anna Riedl zeichnet die Karikatur eines strengen, hartnäckigen deutschen Fräulein. Das ist durchaus möglich. Beim Auflodern des Disputs muß sich dann doch noch die Frisur lösen. Das ist billigstes Klischee – und nur ein Beispiel.

Nebenbei begleiten oft alte Schnulzen oder Geräusche wie pfeifender Wind, Türknarren, Schafsgeblöke die Szenerie. So wird auch die letzte Gefahr einer Berührung mit den Figuren unterbunden. In den Kammerspielen wurde all dies bejubelt, vermutlich ohne daß einer der Applaudierenden erkennen konnte, warum dieses Stück eigentlich spielenswert ist.

Niels Grevsen

Kammerspiele, bis 4. April

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen