Verfassungsschutzbericht: Mehr Gewalt von allen Seiten
Innensenator Ehrhart Körting beklagt steigende Gewaltbereitschaft von Islamisten sowie Links- und Rechtsextremisten. Schuld sei eine stärkere Ideologisierung.
Islamisten: Berlinweit 3.000 (2007: 3.000). Darunter gewaltbereit: 430 Personen (320).
Rechtsextremisten: 1.780(2.010). Darunter gewaltbereit: 500 (500). Rechtsextreme Straftaten: 1.377 (1.471).
Linksextremisten: 2.200 (2.210). Darunter gewaltbereit: 1.100 (1.160). Linksextreme Straftaten: 680 (736)
Scientology: Erstmals seit Jahren wurde Scientology wieder beobachtet. Deren intensive Werbeaktivitäten blieben laut Bericht ohne messbaren Erfolg. Ihre Berliner Dependence habe sich nicht als Deutschlandzentrale etabliert.
In Berlin steigt die Gewaltbereitschaft von Extremisten. Das gelte sowohl für Rechts- wie Linksradikale und auch Islamisten, sagte am Mittwoch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2008. "Diese Entwicklung gibt uns Grund zur Sorge", so Körting.
Besonders unter Islamisten stieg laut Bericht die Zahl der Gewaltbefürworter: Zählte der Verfassungsschutz 2007 darunter 320 Personen, waren es 2008 mit 430 ein Drittel mehr. Als gewaltbereit gelten die regionalen Sektionen der arabischen Hizb Allah (180 Mitglieder), Hamas (50) und Hizb ut-Tahrir (100). "Ich sehe die Gefahr, dass sich orthodoxe Muslime weiter radikalisieren", sagte Körting.
Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden vor allem der muslimische Salafismus. Laut Verfassungsschutzleiterin Claudia Schmid sei dies "die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung". Sie lege den Koran besonders streng aus und trete für eine strenge Unterscheidung zwischen "wahrhaft Gläubigen und Ungläubigen" ein. Einer der bundesweit führenden Vertreter sei der marokkanische Prediger der Neuköllner Al-Nur-Moschee.
Auch im rechtsextremen Spektrum stieg die Gewalt: Wurden 2007 noch 74 Gewaltdelikte verzeichnet, waren es 2008 dann 91. Fremdenfeindliche Angriffe stiegen beinahe ums Doppelte. Aufgrund zurückgehender Propagandadelikte fielen die rechtsextremen Straftaten insgesamt aber von 1.471 auf 1.377 Delikte. Die Szene verlor zudem rund 230 Mitglieder und zählt nun 1.780 Personen. Dies liegt auch daran, dass der Verfassungsschutz die Beobachtung der Reps und "Deutschen Partei" einstellte. Gefährlich bleibe aber die Berliner NPD, so Schmidt. Zwar sei diese zerstritten, zähle aber zu einem der bundesweit neonazistischsten Landesverbände.
Was die linksextremen Autonomen angeht, so hat der 1. Mai laut Körting gezeigt, dass Mitglieder aus dieser Szene offen zu Gewalt aufrufen und diese anwenden. Straftaten richteten sich vor allem gegen Autos und Häuser. Der Bericht untermauerte dies nicht: Linksextreme Straftaten fielen von 736 auf 680 Delikte, die Zahl gewaltbereiter Linksextremer von 1.160 auf 1.100 Personen. Laut Schmidt durchläuft die Szene eine Neuorientierung. Zentrale Streitfrage sei der Einsatz von Gewalt. Zudem wende man sich regionalen Themen wie dem Kampf gegen Bauprojekte und für "autonome Freiräume" zu.
Insgesamt sieht Körting die Gewaltzunahme ideologisch begründet. Bei den Linken seien dies Gentrifizierungsdebatten, bei den Rechten gestiegener Ausländerhass. Im Islamismus wiederum gebe es Tendenzen, sich im ideologischen Radikalismus gegenseitig zu überbieten.
Schmidt erklärte, auch gegen Islamisten "alle nachrichtendienstlichen Mittel" einzusetzen. Künftig werde man aber genauer zwischen den Gruppierungen differenzieren. Laut Körting werde man mit "allen reden, die Gewalt ablehnen". Der CDU-Abgeordnete Andreas Gram forderte vom Senat, entschiedener gegen jede Form von Extremismus vorzugehen.
Leser*innenkommentare
Denis Lederer
Gast
Ja, es liegt an der Radikalisierung... und zwar an der Radikalisierung der Polizei gegenüber Linken, Nicht-Deutschen etc.
- beim Karneval der Kulturen überfällt die Polizei zwei Mal die Gruppe aus Uruguayern und schikaniert sie, obwohl die Gruppe ganz normal für den Umzug angemeldet ist (und selbst wenn nicht, würde es das Verhalten der Polizei nicht entschuldigen).
- am 1. Mai Vormittags räumt die Polizei in Köüenick eine friedlich Sitzblockade gegen Nazis mit Fußtritten, Schlägen ins Gesicht, Haare zerren und würgen. Auch die Linke-Abgeordnete Evrim Baba wird misshandelt.
Was erwartet Körting noch? Er, genauso wie die Linke haben nichts verstanden. Viele Menschen in Berlin und Umland haben die Schnauze voll von den ständigen Schikanen einer zum größtenteil rechtsradikal eingestellten, rassistischen und gewalttätigen Polizei. Körting wird sich noch wundern. Das war erst der Anfang. Und wenn Körting und andere meinen das sei ein rein juristisches Problem und mit härteren Strafen sowie Mordvorwürfen zu erledigen, während Polizisten straffrei prügeln und auch mal Migranten töten dürfen, dann sollten diese Leute lieber mal aufpassen, was sie heraufbeschwören: Wirklich gewalttätige und bewaffnete Angriffe auf Polizisten.
Kommentator
Gast
Da hat der Herr Senator aber den "Extremismus der Mitte" vergessen.
Muss bestimmt ein Versehen gewesen sein, diese Schlägertrupps in Kampfmontur und diese Autoritären und Hetzer nicht erwähnt zu haben.
Immer diese "Gewaltbefürworter" und "Propagandadelikte"...
Nix für ungut.
PS: Geheimdienste abschaffen!
Max Maier
Gast
Schuld sind nicht Ideologien sondern die misserable Politik die auf allen Feldern versagt hat. Verteilung des Geldes von unten nach oben. Abbau der Polizei und Sozialarbeit ... man muss sich eher wundern dass die Lage nicht schneller völlig ausser Kontrolle gerädt.
vic
Gast
Zunahmende Radikalisierung?
Vielleicht liegt das ja auch am zunehmend miesen Zustand all jene, die nicht sehr vermögend sind, an der grundsätzlichen Fremdenfeindlichkeit, die von den C-Parteien noch heftig geschürt wird.
Auch interessant zu erfahren, dass, wenn die Anzahl Rechtsradikaler zu sehr steigt, man kurzerhand einige hundert streicht.
Noch eins. Gesine Schwan hat Sie gewarnt, Herr Körting.
skorpion
Gast
Schuld an den katastrophalen Zuständen ist nicht eine stärkere Idiologiesierung, sondern die grottenschlechte Politik der ROT/Dunkelrote Berliner Senat.