Verfassungsgericht: Abgeordnete müssen transparent sein

Da von Nebentätigkeiten "besondere Gefahren für die Unabhängigkeit ausgehen", müssen Abgeodnete künftig ihre Nebenverdienste angeben. So die knappe Entscheidung aus Karlsruhe.

Acht Richter, zwei Meinungen. Doch Halbe-Halbe heißt am Ende "Nein" für die Kläger. Bild: reuters

Die Richter waren sich nicht einig, das Urteil trotzdem eindeutig. Die vom Bundestag beschlossenen Regeln über die Veröffentlichung von Abgeordneteneinkünften verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Gestern lehnte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Klage von Friedrich Merz (CDU) und acht weiteren Abgeordneten ab. Die Entscheidung fiel mit vier zu vier Richterstimmen.

Seit Oktober 2005 müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte dem Bundestag melden: berufliche Einnahmen, Beraterverträge, Vortragshonorare. Alles, was mehr als 1.000 Euro pro Auftrag respektive mehr als 10.000 Euro pro Jahr einbringt, ist anzugeben. Die genauen Summen erfährt aber nur der Bundestagspräsident. Öffentlich müssen die Abgeordneten nur pauschal mitteilen, ob die Nebeneinkünfte jeweils unter 3.500 Euro, bis zu 7.000 Euro oder über 7.000 Euro pro Monat betragen. Und damit die Abgeordneten nicht nur an ihre Nebentätigkeiten denken, wurde in das Abgeordnetengesetz noch der eher moralische Appell aufgenommen: "Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit."

Die Kläger stammen überwiegend aus CDU/CSU und FDP, mit dabei ist aber auch der SPD-Abgeordnete Peter Danckert, jedoch kein Vertreter von Grünen und Linkspartei. Die meisten Kritiker sind wie Friedrich Merz Rechtsanwälte. Sie halten die Pflicht, ihre beruflichen Einnahmen anzugeben, für einen unzulässigen Eingriff in ihr Abgeordnetenmandat. "Mein Beruf beeinträchtigt meine Unabhängigkeit doch nicht, im Gegenteil, er macht mich unabhängiger von der Partei und der Fraktion", argumentierte Merz bei der mündlichen Verhandlung im letzten Oktober.

Die Entscheidung war im Verfassungsgericht hoch umstritten. Neun Monate dauerten die Beratungen. Doch das Patt, das sich bereits früh andeutete und quer durch die politischen Lager ging, ließ sich nicht auflösen. Die gesetzliche Regel ist allerdings klar: "Bei Stimmengleichheit kann ein Verstoß gegen das Grundgesetz nicht festgestellt werden." Das Patt ging also zu Lasten der Kläger.

Maßgebend ist daher die Meinung des knorrigen Konservativen Siegfried Broß, der das Verfahren als Berichterstatter betreut hat. "Das Mandat fordert den ganzen Menschen", das Grundgesetz gehe davon aus, dass ein Abgeordneter sich hauptberuflich der Arbeit im Parlament und für die Bürger widme. Nur deshalb bekomme er vom Staat auch sogenannte Diäten, die seinen Lebensunterhalt sichern. Weitere Tätigkeiten müssten zumindest transparent sein. "Das Volk hat Anspruch darauf, zu wissen, von wem - und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen", heißt es im Urteil. "Vertrauen ohne Transparenz ist nicht möglich."

Die Gegenmeinung am Gericht, angeführt von dem ebenfalls konservativen Richter Rudolf Mellinghoff, folgte dagegen eher den Argumenten von Merz. "Zur Verwurzelung des Abgeordneten in der Gesellschaft zählt auch die Freiheit zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit während des Mandats", erklärte Mellinghof.

Die Transparenz der Einkünfte gehe über das Notwendige hinaus. Seine Richtergruppe störte sich im Wesentlichen aber nur daran, dass Brutto- und nicht Nettoeinkünfte veröffentlicht werden. Es sei eine "publizistische Prangerwirkung", so Mellinghoff, wenn dem Publikum ungewichtete Rohdaten angeboten werden, ohne dass die Ausgaben für Sachkosten oder Steuern abgezogen sind. Der Unterschied zwischen beiden Richterpositionen war also nur in der Begründung groß.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte, er werde die Angaben der Abgeordneten "unverzüglich" veröffentlichen. Er regte zugleich an, dass sich die Abgeordneten noch einmal mit den Transparenzregeln befassen.

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