Verfassungsgericht stoppt DNA-Probe: Ein Knutschfleck mit Folgen
Ein 14-Jähriger machte einer 13-Jährigen einen Knutschfleck. Deswegen sollte er eine DNA-Probe für die Datei rückfallgefährdeter Sexualstraftäter abgeben.
FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Entnahme einer DNA-Probe bei einem Jugendlichen gestoppt, der als 14-Jähriger mit einem 13-jährigen Mädchen geknutscht und gefummelt hatte. Die Kammer erließ eine einstweilige Anordnung. Ob die Speicherung des Jungen als Sexualstraftäter rechtmäßig war, wolle das Gericht in den nächsten sechs Monaten klären, sagte ein Sprecher der taz.
Der Fall trug sich in Thüringen zu und ist bisher nur in Umrissen bekannt. Ein zur „Tatzeit“ 13-jähriges Mädchen kam mit einem Knutschfleck nach Hause. Die Eltern zeigten den Verursacher, einen damals 14-Jährigen, wegen Kindesmissbrauchs an. Nach Darstellung des Jungen hatten die Eltern wohl etwas gegen das Verhältnis der beiden, berichtet seine Anwältin Silke Müller.
Am Arnstädter Jugendgericht wurde Ende 2011 festgestellt, dass der Junge das Mädchen so am Hals geküsst hatte, dass ein „Knutschfleck deutlich sichtbaren Ausmaßes“ entstand. Außerdem soll er das Mädchen mehrfach am bekleideten „Geschlechtsteil“ angefasst haben. Ein Jugendrichter, der laut Müller für seine harte Rechtsprechung bekannt ist, verwarnte den Jungen wegen „sexuellen Missbrauchs von Kindern“ und erlegte ihm 60 Stunden gemeinnützige Arbeit auf.
Vier Monate später verlangte das Amtsgericht Erfurt von dem Jungen auch noch eine DNA-Probe, damit er in der Gendatei beim Bundeskriminalamt als rückfallgefährdeter Straftäter gespeichert werden könne. Als die Rechtsmittel bei der Thüringer Justiz ohne Erfolg blieben, ging Anwältin Müller nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht erließ nun eine einstweilige Anordnung, um eine nur schwer reparable Stigmatisierung des Jungen zu verhindern. Bis auf weiteres darf von ihm keine Speichelprobe genommen werden.
Formelhafte Beschlüsse
Die Anwältin hatte darauf hingewiesen, dass die Thüringer Richter in ihren formelhaften Beschlüssen überhaupt nicht darauf eingegangen waren, dass der Junge erst 14 war, als er mit dem Mädchen knutschte, und dass die Knutscherei „aus seiner Sicht auf gegenseitiger Zuneigung beruhte“.
Die Anwältin, die den Fall erst später übernahm, ist zwar nicht sicher, ob das Mädchen wirklich einverstanden war. Die Juristin geht aber davon aus, dass die DNA-Anforderung letztlich in Karlsruhe für rechtswidrig erklärt wird. „Es fehlt jede Begründung, warum der Junge künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen soll“, sagt sie.
Die Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs wird in Karlsruhe wohl nicht überprüft. Sie ist eine logische Folge der Gesetzeslage. Danach ist jeder sexuelle Kontakt eines über 14-Jährigen (also Strafmündigen) mit einem Kind unter 14 Jahren strafbar. Ob das Kind einverstanden ist, spielt allenfalls beim Strafmaß eine Rolle. Für Erwachsene werden drei Monate bis zehn Jahre Gefängnis angedroht. Jugendliche Täter können milder bestraft werden. Naheliegend wäre bei geringem Altersabstand eine Einstellung des Verfahrens. (Az.: 2 BvR 2392/12)
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