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Archiv-Artikel

Verfahrene Situation

VON BAHMAN NIRUMAND

Iran hat mit der Wiederaufnahme seines Atomprogramms und der Urananreicherung in der Anlage von Natanz die internationale Staatengemeinschaft vor vollendeten Tatsachen gestellt. Washington, Brüssel, Moskau, sogar Peking bezeichnen die Lage als äußerst besorgniserregend. Die US-Regierung bezeichnete den Gang zum UNO-Sicherheitsrat als „wahrscheinlicher denn je“. Die internationale Gemeinschaft werde „sehr bald schon den Punkt erreichen, an dem sie über die nächsten diplomatischen Schritte in Bezug auf den Iran entscheiden werde“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Großbritanniens Premierminister Tony Blair schloss sogar ein militärisches Vorgehen gegen Iran nicht aus. „Wir schließen offensichtlich keinerlei Maßnahme aus“, sagte er in London.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow zeigte sich „persönlich enttäuscht und alarmiert“. Auch Peking versuchte den Iran zum Einlenken zu bewegen und äußerte die Hoffnung, dass der Konflikt sich mit Hilfe der Internationalen Atombehörde (IAEA) beilegen lassen werde.

Selbst die arabischen Golfstaaten bezeichneten die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms als „besorgniserregend“. Der Generalsekretär des Golfkooperationsrats (GCC), Abdul Rahman al-Attija, sagte: „Das iranische Projekt bedroht die gesamte Region.“

Dem gestrigen Treffen der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands in Berlin, an dem auch EU-Außenbeauftragter Solana teilnahm, soll nächste Woche ein Treffen der EU-Verhandlungsführer mit Vertretern Chinas, Russlands und der USA folgen.

Teheran zeigte sich von alldem unbeeindruckt. Irans Ziel sei die friedliche Nutzung der Atomenergie, und dies sei nach internationalem Recht erlaubt. Keine Macht der Welt und keine Drohung könnten das Land von seinem legitimen Vorhaben abbringen, sagte Irans Staatspräsident Ahmadinedschad.

Offenbar rechnet Iran immer noch damit, dass im Fall der Einschaltung des UN-Sicherheitsrats nicht alle ständigen Mitglieder für Sanktionen gegen das Land stimmen würden. Russland macht im Nuklearbereich und mit Rüstungsgütern Milliardengeschäfte mit Iran. China ist auf iranisches Gas und Öl angewiesen. Auch für die EU-Staaten würde ein Wirtschaftsboykott gegen Iran große Verluste bedeuten.

Sollte aber tatsächlich ein Boykott verhängt werden, würde dies zwar dem Regime in Teheran Probleme bereiten, es aber nicht in die Knie zwingen. Iran könnte sich durch Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel der Einstellung des Ölexports oder durch den Versuch, die Straße von Hormoz am Ausgang des Persischen Golfs für Öltransporter zu sperren, zur Wehr setzen. Solche Schritte würden die Energieversorgung im Westen vor erhebliche Probleme stellen und die Ölpreise in die Höhe treiben.

Auch ein militärisches Vorgehen gegen den Iran scheint unter den gegeben Umständen kaum denkbar. Für die USA wäre ein Einmarsch in den Iran weder finanziell noch personell möglich – abgesehen davon, dass die Folgen wohl weitaus verheerender wären als im Irak. Bliebe nur noch die Möglichkeit eines Angriffs aus der Luft mit oder ohne Unterstützung Israels. Aber selbst wenn man damit die im ganzen Land verstreuten und zum Teil unterirdischen Atomanlagen zerstören könnte, würde eine solche Aktion das iranische Atomprogramm nur verzögern. Für radikale Fundamentalisten wie Ahmadinedschad wäre ein solcher Angriff ein Geschenk des Himmels, denn ein Angriff gegen die nationale Souveränität würde das zurzeit gespaltene Volk vereinen und die Bereitschaft zum Widerstand erheblich steigern.

Die Situation ist daher verfahren. Einen Ausweg könnte es nur geben, wenn die Rechte und das Sicherheitsbedürfnis des Landes berücksichtigt würden.